Jenseitsvorstellungen im Islam

Was erwartet den Muslim nach dem Tod?

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Allgemein

Die Jenseitsvorstellungen im Islam sind vielfältig. Neben den Lehren des Koran gibt es darüber hinaus noch eine Fülle an Überlieferungen, die für eine reiche Tradition an Zukunftshoffnung sorgen.


Der Tod

Der Koran lehrt unmissverständlich, daß die Stunde des Todes für jedes Lebewesen ein für allemal festgelegt ist (Sure 16,61).

    Sure 16,61
    61 Und wenn Allah die Menschen wegen ihrer Frevelhaftigkeit belangen würde, würde er auf der Erde kein Tier übriglassen. Aber er gewährt ihnen auf eine bestimmte Frist Aufschub. Und wenn dann ihre Frist kommt, bleiben sie auch nicht eine Stunde hinter ihr zurück noch gehen sie ihr voraus.


Der Zwischenzustand

Der Koran denkt sich die Seele nach dem Tode offenbar in einem traumlosen, der Trunkenheit ähnlichen Schlaf (Sure 6,60; 30,55-56; 20,103). Sie dämmert empfindungslos dahin; ihr Aufenthaltsort ist in der Nähe Allahs (Sure 39,43). Das Zeitgefühl ist ihr entschwunden; sie kennt weder die Dauer ihres irdischen Lebens noch ihres Aufenthaltes im Grabe.

Wer jedoch im Kampf für Allah gestorben ist, kommt direkt ins Paradies (Sure 2,154, 47,4-6).

    Sure 6,60
    Und er ist es, der euch bei Nacht, wenn ihr schlaft, zeitweise abberuft und weiß, was ihr bei Tag an Handlungen begangen habt. Hierauf erweckt er euch am Tag aus dem Schlaf wieder zum Leben, damit eine bestimmte Frist für euer Leben zu Ende geführt werde. Hierauf werdet ihr sterben und zu ihm zurückkehren. Und dann wird er euch Kunde geben über das, was ihr in eurem Erdenleben getan habt.


    Sure 30,55-56
    55 Und am Tag, da die Stunde des Gerichts sich einstellt, werden die Sünder schwören und beteuern, sie hätten seit ihrem Tod nur eine Stunde im Grab verweilt. - So verschroben waren sie auch schon im diesseitigen Leben.
    56 Diejenigen, denen das Wissen und der rechte Glaube gegeben worden ist, sagen dann zu ihnen: ,Ihr habt vielmehr so lange Zeit, als von vornherein in der Schrift Allahs festgelegt war von eurem Tod bis zum Tag der Auferweckung im Grab verweilt. Und das ist jetzt der Tag der Auferweckung. Aber ihr wusstet nicht Bescheid.'


    Sure 20,102-103
    l02 Am Tag, da zur Gerichtsversammlung in die Trompete geblasen wird! An jenem Tag versammeln wir die Sünder blauäugig,
    103 während sie sich untereinander zuflüstern: ,Ihr habt nur zehn Tage im Grab verweilt.'


    Sure 39,42-43
    42 Allah beruft die Menschen ab, wenn sie sterben und diejenigen, die noch nicht gestorben sind, vorübergehend während sie schlafen. Diejenigen, deren Tod er beschlossen hat, hält er darin zurück, während er die anderen auf eine bestimmte Frist wieder freigibt. Darin liegen Zeichen für Leute, die nachdenken.
    43 Oder haben die Ungläubigen sich an Allahs Statt Fürsprecher zum Gegenstand ihrer Verehrung genommen? Sag: Wenn sie nun aber nichts auszurichten vermögen und keinen Verstand haben?


    Sure 2,154
    154 Und sagt nicht von denen, die um der Sache Allahs willen getötet werden, sie seien tot. Sie sind vielmehr lebendig im Jenseits. Aber ihr seid euch dessen nicht bewusst.


    Sure 47,4-6
    4 Wenn ihr auf einem Feldzug mit den Ungläubigen zusammentrefft, dann haut ihnen mit dem Schwert auf den Nacken! Wenn ihr sie schließlich vollständig niedergekämpft habt, dann legt sie in Fesseln, um sie später entweder auf dem Gnadenweg oder gegen Lösegeld freizugeben! Haut mit dem Schwert drein, bis der Krieg euch von seinen Lasten befreit und vom Frieden abgelöst wird! Dies ist der Wortlaut der Offenbarung. Wenn Allah wollte, würde er sich selber gegen sie helfen. Aber er möchte nicht unmittelbar eingreifen, vielmehr die einen von euch, die gläubig sind, durch die anderen, die ungläubig sind auf die Probe stellen. Und denen, die um Allahs willen getötet werden, wird er ihre Werke nicht fehlgehen lassen, so dass sie damit nicht zum Ziel kommen würden.
    5 Er wird sie rechtleiten, alles für sie in Ordnung bringen
    6 und sie ins Paradies eingehen lassen, das er ihnen zu erkennen gegeben hat.


Die erste Prüfung - die Befragung im Grab

Die Tradition geht weit über das hinaus, was der Koran lehrt. Sie weiß z.B. von verschiedenen Prüfungen, die der Tote an sich ergehen lassen muß.

Sofort nach dem Tod wird die Seele des Verstorbenen durch Engel in ein Leichentuch gelegt und bis in den siebten Himmel getragen. Dort befiehlt Allah den Namen des Verstorbenen in das Buch Illiyun zu schreiben. Anschießend kehrt die Seele zurück in den Leib, der im Grab liegt. (Nach Al-Bara ibn Azib in T.P. Hughes "Lexikon des Islam" [Begriff: Tod])

Dann zerreißen die beiden Engel Engel Munkar und Nakir die Erde, steigen in die Gruft und legen dem Verstorbenen die vier Prüfungsfragen vor. Wer ist dein Gott? Wer ist dein Prophet? Welches ist deine Religion? Welches ist deine Kibla? Erwartet werden die Antworten Allah, Mohammed, Islam und Mekka. Deshalb wurden deshalb dem Sterbenden vor seinem Tode diese Begriffe unablässig ins Ohr gesagt. Sind seine Antworten nicht befriedigend, so wird Tote im Grabe mit eisernen Keulen auf Gesicht und Rücken geschlagen. (Nach Kellerhals S. 187)

    Die Namen Nakir und Munkar werden im Koran nicht erwähnt. Es sind zwei schwarze Engel mit blauen Augen. Ihre Namen bedeuten "das Negative" und "das Verwerfliche". (vgl. Jami Tirmidhi Nr. 1073: 10-Book of funerals, Chapter 71: About punishment in the grave)

Anspielungen auf dieses "kleine Gericht" finden sich schon im Koran (Sure 47,27; 8,50). Kann der Verstorbene jedoch die richtigen Antworten geben, so wird seine Seele bis zur Zeit der allgemeinen Auferstehung an einem sichern Ort aufbewahrt, nach den einen in der Posaune des Gerichtsengels Israfil, nach den andern in den Kröpfen grüner Vögel im Paradies, von wo aus sie den Ort ihrer zukünftigen Seligkeit zum voraus schauen darf.

    Sure 47
    27 Aber wie wird es sein, wenn die Engel sie dereinst abberufen, wobei sie ihnen ins Gesicht und auf das Hinterteil schlagen?

    Sure 8,50
    Wenn du doch sehen würdest dereinst am Tag des Gerichts, wenn die Engel diejenigen, die ungläubig sind, abberufen, wobei sie ihnen ins Gesicht und auf das Hinterteil schlagen und zu ihnen gesagt wird: Ihr bekommt jetzt die Strafe des Höllenbrandes zu spüren.


Die zweite Prüfung - der Tag des Gerichts

Nach einer Art Tiefschlaf folgt für den Verstorbenen das Jüngste Gericht. Dieser Gerichtstag ist der Tag der Auferstehung, der mit einer Posaune eingeläutet wird (Sure 20,102). Er wird Erde und Himmel erschüttern und die Menschen wie eine Katastrophe überraschen (Sure 69,13ff) . Die Menschen werden auf einmal hellwach sein und sich fragen, was mit ihnen geschehen wird (Sure 79,6-14). Feierlich wird nun von den acht Thronengeln der Thron Allahs herbeigetragen (Sure 69,17) während die Menschen auf dem Gefilde der Auferstehung zusammenkommen. (vgl. Sure 79,14)

Nach der Tradition ist damit entweder Jerusalem oder eine weite baum- und berglose Ebene gemeint, die den Menschen nicht den geringsten Schutz vor Allahs Augen bietet. Zwei Dinge werden als Mittel zur Überführung des Menschen gebraucht: die Bücher und die Waage. Beide Symbole stammen natürlich aus dem biblischen Bildermaterial (Dan. 7,10 und Off. 20,12; Dan. 5,27 und die apokryphe Schrift "Das Testament Abrahams"). Die Bücher fliegen von ihrem himmlischen Aufbewahrungsort unter dem Throne Allahs hernieder und werden ihren Eigentümern übergeben, den Gerechten in die rechte, den Ungerechten in die linke Hand (Sure 69,19-37; 17,14.15; 84,7-15; 23,102.103; 7,8.9 ).

Die Taten der Menschen werden über ihr zukünftiges Schicksal entscheiden. Auf einer Waage werden die Taten der Menschen gewogen. Nur mehr Gutes als Schlechtes getan hat, wird gerettet.

    Sure 23,102-103
    102 Denen, die dann schwere Waagschalen haben, wird es wohl ergehen.
    103 Diejenigen aber, die leichte Waagschalen haben, sind dann ihrer selbst verlustig gegangen. Sie werden ewig in der Hölle weilen.

Und doch sind es nicht allein die Taten, die für den Ausgang des Gerichts entscheidend sein werden. Es ist allein die Gnade Allahs, die bestimmt, ob jemand ins Paradies eingehen kann oder nicht. Mohammed selbst wies darauf hin, daß auch er im Gericht auf die Gnade Allahs angewiesen sein wird. (vgl. Sahih Muslim: Buch 39,6760 - Internetausgabe)

Es ist für jeden Muslim eine Pflicht daran zu glauben, daß an eine Vergeltung des diesseitigen Lebens und an ein Leben nach dem Tod zu glauben. Wer das nicht glaubt, ist ein Ungläubiger.


Die dritte Prüfung - der Gang über die Brücke

Es folgt noch eine dritte Prüfung, die freilich schon den Übergang zum Vollzug des Gerichts darstellt: alle Menschen haben die Brücke Shirat zu überschreiten, die im Volksglauben scharf wie ein Schwert und dünn wie ein Haar ist.

Der Weg über diese Brücke ist sehr glatt. Über der Brücke schweben Haken. Wer Böses getan hat wird durch die Haken in die Hölle geschleudert werden. Mancher wird zuerst in Stücke gehauen und in die Hölle geworfen werden, schließlich aber doch durch Allahs Gnaden errettet werden. Einige werden die Brücke sehr langsam überqueren, andere aber in Windeseile. (Sahih Bukhari-Band 8, Buch 76, Nummmer 577; Sahih Bukhari-Band 9, Buch 93, Nummmer 532)

Die Vorstellung dieser Brücke wird aus Sure 36,66 und 37,23 abgeleitet, wo das Wort "sirat" in der Bedeutung "Weg, Pfad" vorkommt; ihr Name stammt wohl aus Persien (im Zarathustrismus heißt sie Chinavat). Sie spannt sich über den Abgrund der Hölle. Die Ungläubigen gleiten auf ihr aus und stürzen in die Tiefe; die Gläubigen dagegen überschreiten sie, zum Teil in einem Augenblick, mit der Schnelligkeit des Blitzes oder wenigstens mit derjenigen eines guten Pferdes, und gelangen so sicher ins Paradies.


Das Gericht gilt allen

Vom Endgericht am Jüngsten Tage ist niemand ausgenommen, nicht einmal die Propheten, auch nicht Jesus Keine Schuld kann bei diesem Gericht verborgen werden. Weder Reue noch Entschuldigungen noch Fürbitte helfen mehr. Eine Bekehrung ist nicht mehr möglich. Die Gnadenzeit ist endgültig abgelaufen.

Außer den Aufzeichnungen in den Büchern sind auch die Mitmenschen, die Natur, ja die eigenen Glieder des Menschen seine Belastungszeugen. Die Propheten zeugen gegen ihre Anhänger, denen sie die Offenbarung verkündigt haben. Jesus tritt gegen die Christen auf, aber auch gegen die Juden, die ihn verworfen haben (Sure 4,158). Gefragt wird nach dem Glauben an Allah (Sure 69,33 ) den Taten des Menschen (Sure 69,34 ).


Mohammeds Fürsprache

Die letzte Entscheidung fällt indessen doch am Glaubensbekenntnis. Denn nach orthodoxer Lehre bleibt kein Moslem, auch wenn er zeitweise zur Verbüßung von sogenannten großen Sünden in der Hölle schmachten muß, endgültig am Ort der Verdammten. Auch im schlimmsten Fall, wenn er unbußfertig in einer Todsünde stirbt, tritt nämlich Mohammed fürbittend für ihn ein und erwirkt ihm den nachträglichen Eingang ins Paradies. So lehren wenigstens Ashari und Ghazzali.

Die Muctaziliten, auch hier freier denkend und ethisch strenger empfindend, hielten eine ewige Höllenstrafe auch für einen Moslem für möglich, falls er unbußfertig in einer Todsünde sterbe; um sich jedoch mit der orthodoxen Lehre nicht in Widerspruch zu bringen, lehrten sie, daß ein Todsünder nicht mehr zu den Gläubigen gezählt werden könne.

Übereinstimmung besteht aber darin, daß Ungläubige, d.h. solche, die "Shirk" begangen haben, in die Hölle kommen, da für dieses Vergehen keine Vergebung und auch keine Fürbitte möglich ist. So ist es letzten Endes doch nicht das Leben, sondern das Bekenntnis, der Glaube, der im Gericht wiegt. "Wenn die sieben Himmel und die sieben Erden in der einen Wagschale wären und in der andern die Worte des Bekenntnisses, so würden diese Worte jene Taten aufwiegen", sagte Mohammed nach der Tradition.

Der Islam lehrt also nicht die Beseligung aller Menschen, wohl aber die ausnahmslose Beseligung aller Moslem, d.h. aller Bekenner Allahs und des Propheten. Der Glaube hat den Vorrang vor den Werken - aber nicht der Glaube an die rechtfertigende Gnade, sondern das Fürwahrhalten der entscheidenden Lehrstücke des Bekenntnisses.

Dabei ist bezeichnend, daß an dieser wichtigen Stelle die Fürbitte Mohammeds einsetzt und daß die Beseligung aller Moslem ausschließlich ihr zu verdanken ist; ohne sie müßte der unbußfertig in einer Todsünde Verstorbene das Schicksal der Ungläubigen teilen. Das Heil ist also, nach der Lehre der Tradition, durchaus an eine stellvertretende, erlösende Tat des Propheten gebunden. Auch darin kommt zum Ausdruck, daß der Mohammed der Tradition und der Orthodoxie nicht mehr nur Prophet, "nackter Warner", sondern Mittler, Heiland geworden ist.

Die spätere Theologie hat sich natürlich bemüht, für dieses der Lehre des Urislam widersprechende, Erlösung bewirkende Fürbitteramt Mohammeds einen koranischen Schriftbeweis zu erbringen. Auch wenn der Koran klar eine Vermittlerrolle Mohammeds leugnet (2,48; 39,44) hat die Theologie den Beweis in Sure 17,79 gefunden, die Mohammed die Verheißung eines "lobenswertes Ranges" gibt. Der Zusammenhang dieser Stelle gibt jedoch in keiner Weise das Recht zu der Annahme, daß diese einmalige Andeutung eine so entscheidende Ausweitung des Sendungsauftrags Mohammeds lehren wolle.

Auch die mündliche Tradition ist zur Mittlerrolle Mohammeds sehr gesprächig. Sie überliefert folgende Aussagen Mohammeds: "Meine Fürbitte geschieht für meine Nachfolger, die große Sünden begangen haben. O mein Volk, ich bin bestimmt zur Fürbitte." (vgl. auch Mohammeds Fürsprache in den Ahadithen).


    Sure 2,48
    48 Und macht euch darauf gefaßt, (dereinst) einen Tag zu erleben, an dem niemand etwas anstelle eines andern übernehmen kann, und (an dem) von niemand Fürbitte (die er für sich vorzuweisen hätte) oder Lösegeld (für seine Person) angenommen wird, (- einen Tag) an dem sie (d.h. die Menschen, die vor dem Richter stehen) keine Hilfe finden werden!

    Sure 17,79
    79 Und des Nachts halte Vigilien mit ihr als zusätzliche Leistung für dich! Vielleicht wird dich (dann) dein Herr zu einem lobenswerten Rang (im Jenseits) erwecken.

    Sure 39,44
    44 Sag: Alle Fürsprache kommt (nur) Allah zu. Er hat die Herrschaft über Himmel und Erde, und zu ihm werdet ihr schließlich zurückgebracht.




Quellen - Literatur:

Hughes, Thomas Patrick Hughes: Lexikon des Islam, Wiesbaden: Fourier, 1995

Kellerhals, Emmanuel: Der Islam - Seine Geschichte - Seine Lehre - Sein Wesen, Basel: Basler Missionsbuchhandlung, 1945

Schirrmacher, Christiane: Islam Band 1, Filderstadt: Hänssler-Verlag, 1994

Der Koran, Übersetzung von Rudi Paret, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, 1979



Quellen - Internet:

Munkar und Nakir (c) arrayyana.wordpress.com

A Scientific Approach on Al-Sirat (the bridge over Hell) (c) forums.understanding-islam.com

Die Fürsprache des Propheten am Jüngsten Tag? (c) tavhid.de (2014)


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Ins Netz gesetzt am 29.01.2005; letzte Änderung: 03.01.2017

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