Was ist biblischer Fundamentalismus?Generalangriff gegen den biblischen "Fundamentalismus"von Prof. Dr. Samuel Külling [ A ] Von verschiedensten Seiten aus werden heute die "Fundamentalisten" oder der "Fundamentalismus" bekämpft. Wenn dies von aussen geschieht, d.h. von Menschen, die nicht im biblischen Sinne gläubig sind, versteht man dies noch. Aber warum distanzieren sich auch sogenannte "Evangelikale", d.h. Gläubige, die sich zu den biblischen Heilswahrheiten bekennen, vom "Fundamentalismus"? Warum wird z. B. über den am 11. November 2001 in sein Amt als neuer Direktor der Pilgermission St. Chrischona eingesetzten Dr. Markus Müller in der "Riehener Zeitung" vom 9. November 2001 folgendermaßen geschrieben:
Warum muss Walter Gut, der als Journalist für den Evangeliumsrundfunk arbeitet, anlässlich des Artikels von Dr. Friedhelm Jung "Sind christliche Fundamentalisten gewalttätig?", was letzterer verneint, diesen massiv angreifen? [ 1 ] So schreibt Walter Gut:
Walter Gut ruft "die verantwortlichen Leiter unserer Freikirchenverbände, der biblischen Ausbildungsstätten und die Leiter von SEA [ 2 ], VFG [ 3 ], AEM [ 4 ] und Idea dazu auf, als verantwortliche Hirten Stellung zu nehmen zu der bis heute unwidersprochen hingenommenen Propagierung eines christlichen Fundamentalismus." [ 5 ] Der Bibelbund Schweiz befasste sich am 3. Nov. 2001 mit dem Begriff "bibeltreu". Die Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten hat als Konferenzthema im November 2001 den Begriff "bibeltreu", wobei einige Lehrer theologischer Seminare letztlich nichts anderes versuchen, als das "fundamentalistische" Verständnis von "bibeltreu" in sein Gegenteil zu verwandeln. Dieser Angriff auf die "fundamentalistische" Bibelhaltung erfolgt weltweit. Das ICBI [ 6 ], zu dessen Beirat für das deutschsprachige Europa ich gehörte, hat sich während 10 Jahren gezielt mit diesem Thema befasst. Das war deswegen nötig, weil manche sog. evangelikale Vertreter von Ausbildungsstätten u.a. sich von der sog. «fundamentalistischen» Position entfernten, oder in Gefahr waren, dies zu tun. Sie meinten, nicht mehr an der Wahrheit der Bibel in jeder Hinsicht (Geschichte, Naturwissenschaft u.a.) festhalten zu können, oder glaubten, Widersprüche in der Bibel feststellen zu müssen. In der Zeitschrift "Diakrisis" [ 7 ] findet sich in einem Beitrag von Pfr. Sven Findeisen zum 100. Geburtstag von Prof. Hellmuth Frey ein Seitenhieb gegen den "Fundamentalismus": Bekanntlich hat Frey die vom biblischen "Fundamentalismus" abgelehnten sog. historisch-kritischen Methoden und Hypothesen in seinem Auslegungswerk "Die Botschaft des Alten Testaments" grundsätzlich eingebaut. Wohl mit Bezug darauf schreibt Findeisen:
Mit grosser Besorgnis muss auch festgestellt werden, dass einer der früher selbst eine "fundamentalistische" Bibelhaltung vertrat und verteidigte, Prof. Dr. Dr. Dr. Willem Ouweneel in den Niederlanden, nun in der Zeitschrift "Bijbel en Wetenschap" [ 8 ] , deren leitender Redaktor er ist, einen Hauptangriff ausgerechnet gegen die "fundamentalistische" Bibelhaltung richtet, die er zugleich kritisiert. Wegen all den hier erwähnten Tatsachen gehen wir in dieser Nummer unserer Zeitschrift grundsätzlich auf die Auseinandersetzung um den sog. "Fundamentalismus" ein. Damit geben wir zugleich eine Klärung der Bezeichnung "Bibeltreue".
Die Bedeutsamkeit eines "fundamentalistischen" BibelbekenntnissesI. Zur Definition des BegriffsSchon 1965 habe ich an der Europäischen Evangelischen Allianz-Konferenz und Ratstagung in Zürich die Forderung an den Anfang meines Vortrags [ 9 ] gestellt, dass jeder, der sich über "Fundamentalismus" äussert, erst eine Definition abgibt, was er darunter versteht.
1. Gebrauch der Bezeichnung "Fundamentalismus"; "Fundamentalismus" als negatives Schlagwort"Fundamentalismus" wird oft als Schlagwort benutzt, ohne Beziehung zu einem bestimmten Glaubensinhalt. Es wird als Schimpfwort eingesetzt. Walter Gut vom Evangeliumsrundfunk (Schweiz) bezeichnet es als "Götzendienst" und "ideologisches Denkraster", "zu meiden wie die Pest".[ 10 ]. Das Wort gilt als ideologisches Schreckgespenst zur Bezeichnung von Militanz, gewalttätiger Durchsetzung seiner Überzeugung von Aggression, Sturheit und Fanatismus. Man kann das Wort mit Hansjörg Hemminger "im weiteren Sinne ... für eine bestimmte Haltung zur Umwelt, zur Religion, zur Politik usw., im besten Fall für eine bestimmte soziale oder seelische Befindlichkeit einer religiösen Gruppe" gebrauchen. [ 11 ]
2. Die Entstehung des Begriffs "Fundamentalismus"Mit obigen Schlagworten und Charakterisierungsversuchen hat der biblische "Fundamentalismus" nichts zu tun. Entstanden ist der Begriff nach der Publikation von zwölf Bändchen 1910-1915 in den USA [ 12 ] mit dem Titel "The Fundamentals" (=Die Grundlagen). In ihnen werden fünf unaufgebbare "Fundamentals" hervorgehoben:
Die sich auf Jesus Christus beziehenden Fundamentalaussagen 2-4 sind auch in den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen enthalten, namentlich im nizänischen, während die 1. Glaubensaussage zur Bibel heute den Hauptstreitpunkt in der Auseinandersetzung mit dem "Fundamentalismus" bildet. 3. Zerrbild und Kritik des "Fundamentalismus" von christlicher Seitea.) Der Angriff Bergmanns auf die erste Fundamentalaussage der Irrtumslosigkeit und InspirationPfr. Dr. Gerhard Bergmann hat 1963 in Deutschlands grösstem evangelischem Vereinshaus, der Hammerhütte in Siegen, vor 3500 Zuhörern ein Grundsatzreferat im Rahmen der Allianzkonferenz gehalten, das erweitert und überarbeitet unter dem Thema "Vom Geheimnis der Bibel" vom damaligen Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz. Pfr. Paul Deitenbeck, herausgegeben wurde. Hier greift er das angeblich "fundamentalistische" Bibelverständnis an, das die sog. "Knechtsgestalt" der Bibel, ihre "Unebenheiten" (gemeint: Widersprüche) nicht sehen wolle. Die "Fundamentalisten" würden Vogel-Strauss-Politik treiben. Sie steckten den Kopf in den Sand und würden über die menschliche Knechtsgestalt (gemeint: menschlich-irrtümliche Gestalt) der Schrift schweigen, statt sie anzuerkennen. Bergmann stellt den Satz auf:
Er zitiert Adolf Schlatter:
Es folgt dann auch die Definition der Redaktion:
Bergmann stellt sich dann in einem ambivalenten, widersprüchlichen Satz gegen den "Fundamentalismus", so wie er ihn definiert, und von dem er sagt: "Der Fundamentalismus ist wirklich von der Heiligen Schrift her nicht haltbar." [ 16 ]. Er hebt hervor: "Dem unbiblischen Fundamentalismus stellt die Gemeinde Jesu die unbedingte Bibeltreue entgegen" [ 17 ] als ob "Fundamentalismus" und "Bibeltreue" Gegensätze wären! Bergmann greift in diesem Vortrag auch massiv die Inspiration der Bibel an, die er nur für teilinspiriert hält. Unter dem Titel "Es gibt keine durchgängige Verbalinspiration" sagt er:
Aber er wird noch massiver, wenn er auf die sog. "Rachepsalmen" zu sprechen kommt, die man meiner Meinung nach besser "Psalmen mit strafenden Vergeltungsworten" oder "Gerechtigkeitspsalmen" nennen würde; denn es geht ja darin nicht um "Rache". Bergmann masst sich an, Ps 137,9 mit folgenden Worten zu kritisieren:
Als ob es hier um Judenkinder ginge! Ich habe in FUNDAMENTUM zu den Fragen dieser sog. "Rachepsalmen" Stellung genommen. [ 20 ] Wir könnten solche Urteile über gewisse Bibelteile, die aus derselben Quelle stammen wie das «Sollte Gott gesagt haben» der Schlange In Gen 3, 1 zur Seite legen, wenn sie nicht noch heute in dieser oder jener Form in den Köpfen heutiger sich "evangelikal" oder "bibeltreu" nennender Theologen herumspukten. Ich erwähne hier nur gewisse Vertreter der CTL-Seminare [ 21 ] , und unter ihnen Dr. Heinzpeter Hempelmann mit seiner Veröffentlichung "Nicht auf der Schrift, sondern unter ihr." [ 22 ] In der Gegenschrift von Pfr. Reinhard Möller [ 23 ] sehen wir u.a., dass er den bisherigen Begriff von "bibeltreu" in sein Gegenteil zu verkehren sucht (vgl. dazu den Gegensatz bei Bergmann zwischen "bibeltreu" und "fundamentalistisch"!).
b. Ouweneels Kritik am "Fundamentalismus"In der letzten Nummer von "Bijbel en Wetenschap" (= Bibel und Wissenschaft), deren Chefredaktor Prof. W. Ouweneel ist, geht es um die Frage der Unfehlbarkeit und historischen Zuverlässigkeit der Schrift. Die Artikel, sagt Ouweneel, seien gegensätzlich. Der Leser solle entscheiden, einerseits, wo jeder der Autoren stehe, und andererseits, wo er sich selbst wiederfinde. [ 24 ]. In seinem Leitartikel "Historische Zuverlässigkeit zwischen Fundamentalismus und Modernismus" nimmt er aber keine neutrale Stellung ein. Er stellt sich eindeutig gegen die "Fundamentalisten", wie ich noch ausführen werde. Zunächst sucht er nachzuweisen, dass die Diskussion zwischen Modernisten und Klassisch-Evangelikalen als solche veraltet sei, weil beide gleichermassen unter dem Fehler leiden, dass sie den Rationalismus [ 25 ] bzw. Szientismus [ 26 ] überschätzen. Die Diskussion finde nicht länger zwischen "Bibeltreuen" statt, denn der Begriff "bibeltreu" sei doch arrogant "wer bestimme, ob jemand das sei?", und zudem missachte der Begriff die heute besser erkennbare Tatsache, dass die Bezeichnung "Bibeltreue" von der Umwelt bestimmt sei, d.h. durch den Kontext (Zeitgeist, Kultur, Erkenntnishorizont) des Lesers, insbesondere des Theologen. Auf dem Hintergrund von theologischen Diskussionen spielten philosophische, kulturelle, psychologische und soziologische Faktoren immer die entscheidende Rolle. Mit anderen Worten meint Ouweneel, wir wüssten heute besser, wie begrenzt unsere Auffassungen über die Schrift und über Bibeltreue und über die Zuverlässigkeit der Schrift seien. Nur starre Fundamentalisten und Konfessionalisten würden glauben, dass bestimmte grosse Theologen in der Vergangenheit ein für allemal festgestellt hätten, was "Inspiration", "Unfehlbarkeit" und "Zuverlässigkeit" der Schrift genau beinhalten würden. Ouweneel relativiert jede Definition über die Unfehlbarkeit der Schrift als fehlbares Menschenwerk. In der Aussage, dass die Inspiration der Schrift ein transzendentes Geheimnis ist, stimme ich Ouweneel zu. Aber er geht dann weiter und sagt, die Diskussion zwischen Kreationismus [ 27 ] und Evolution sei veraltet. Es gehe im Evangelium um viel mehr oder um viel höhere Fragen. Und dann kommen die bedenklichen Fragen Ouweneels:
Er scheint immer mehr Mühe zu haben mit den wörtlichen Schöpfungstagen von 24 Stunden, mit einer wörtlichen, sprechenden Schlange im Paradies, mit einem Jona, der drei wörtlich genommene Tage im Fisch war. Unter dem Thema "Fundamentalismus" ordnet er den rechten Flügel der klassischen Evangelikalen ein. Und gegen diese richtet er seinen Angriff, was schon aus seiner Definition hervorgeht:
Ouweneel distanziert sich sowohl von den "Modernisten" (gemeint: liberale, bibelkritische Theologen, Red.) als auch von den "Fundamentalisten". Die "Modernisten" würden grenzenlos der "modernen Wissenschaft" vertrauen und würden uns erzählen, was in der Bibel historisch glaubwürdig sei und was nicht, was von Daniel, Jesaja, Jesus und Paulus selbst stamme, und was später ihnen zugeschrieben worden sei, was der moderne Mensch noch von der Bibel glauben könne und was nicht usw. Und jetzt kommt wieder eine Spitze gegen den "Fundamentalismus": Sowohl die eben beschriebene liberale Theologie als auch der "Fundamentalismus" würden an der Überschätzung der "modernen Wissenschaft" leiden.
c. Falsche Charakterisierungen des "Fundamentalismus"Die eine Richtung meine wissenschaftlich belegen zu können, dass die Bibel nicht das unfehlbare Wort Gottes sei, die andere, dass sie es doch sei. Oder anders gesagt: Der "Fundamentalismus" verfalle stets wieder in den Fehler, die Zuverlässigkeit der Schrift im wissenschaftlichen Sinn verstehen zu wollen.
Die Bibel sei historisch völlig vertrauenswürdig, aber die "Fundamentalisten" würden nach Ouweneel von einer veralteten (tatsächlich durch und durch positivistischen [ 28 ]) Definition von historischer Glaubwürdigkeit ausgehen. Ouweneel schreibt wörtlich:
Ouweneel sagt leider nicht, in welchem Sinn sie naturkundlich und historisch glaubwürdig ist und in welchem Sinne nicht. Am Schluss versucht Ouweneel noch am Buch Jesaja zu illustrieren, dass man zurecht auch vom bibeltreuen Standpunkt aus Fragen an die Einheit des Jesajabuches stellen könne:
Was will Ouweneel mit diesem Beispiel des sog. "Deuterojesaja"? Er betont, dass er an supranaturale Gottesoffenbarung und echte Prophetie glaubt. Natürlich darf man alle Fragen stellen. Aber Ouweneel scheint das Beispiel zu brauchen, um zu belegen, dass abgesehen vom Anti-Supranaturalismus [ 30 ] noch andere gute Gründe dafür bestehen würden, um die erwähnten literarischen und historischen Fragen zu stellen. Bezeichnend ist seine gegen die konservative (oder "fundamentalistische") Bibelwissenschaft gerichtete Schlussfolgerung:
Am Schluss seines Artikels lobt Ouweneel noch die Alttestamentler, die, obwohl von konservativer Herkunft, nicht mehr von einem simplizistischen (eigentlich modernistischen!) Schema "bibeltreu gegen bibelkritisch" ausgehen, sondern im Gegenteil die akademische Debatte nicht scheuten. Mit diesen Äusserungen kreiert Ouweneel aber selbst ein simplizistisches Feindbild von konservativen Bibelwissenschaftlern (sog. "Fundamentalisten") und beweist zugleich, wie wenig er von ihrer Arbeit und von der Geschichte der Kritik kennt, welche zu Deutero- und Tritojesaja und zur Ausscheidung weiterer Teile führte, von welchen Voraussetzungen die Kritiker ausgegangen sind und in welche Probleme sie infolge ihrer kritischen Resultate verwickelt haben. Die sog. historisch-kritischen Voraussetzungen und Methoden führten dazu, dass - wie eine Seminararbeit bei mir im Alten Testament schon vor mehr als 30 Jahren nachgewiesen hat - wenn man alle als unecht geltenden Stellen abziehen würde, die die verschiedenen Kommentare erwähnen, am Ende vom ganzen Buch Jesaja nur noch kümmerliche Reste übrigbleiben würden. [ 31 ] Sagt Ouweneel dann noch, die konservativen Antworten seien nicht besser als die kritischen? Versucht er auf diese Weise die konservative ("fundamentalistische") Bibelarbeit zu misskreditieren? Warum die kritischen Bemerkungen über die Kreationisten, zu denen er früher selbst gehörte? Warum stört der Begriff "bibeltreu"? Dieser Vorstoss Ouweneels gegen den "Fundamentalismus" geht eindeutig in eine falsche Richtung. Er karikiert die "Fundamentalisten" in mehrfacher Hinsicht, u.a. auch dann, wenn er meint, sie würden wie die liberalen Theologen an Überschätzung der "modernen" Wissenschaft leiden.
II. Was ist biblischer "Fundamentalismus"?Der biblische "Fundamentalismus" bezeugt die Glaubensaussage, dass die Bibel uneingeschränkte, absolute Offenbarung von Gott ist, mit allen Konsequenzen (göttlich inspiriert, Wahrheit in jeder Hinsicht, Einheit ohne wirkliche Widersprüche). Der biblische "Fundamentalismus" bezeugt, dass wir es in der Bibel nicht mit menschlich- irrtümlichen, zeitbedingten Vorstellungen zu tun haben, die veralten würden, sondern vielmehr mit zeitlos gültiger, göttlicher Wahrheit. Die Heilige Schrift hat daher für den, der diese Glaubensaussage teilt, bindende und bestimmende, göttliche Autorität. Der biblische "Fundamentalismus" geht ganz und ausschliesslich vom Selbstzeugnis der Bibel aus. Die Bibelschreiber bezeugen, dass sie mit göttlicher Autorität sprechen, dass ihre Worte von Gottes Geist eingegeben sind. Die Scofield-Bibel macht bei 1.Kor 2,9-14 vier erklärende Aussagen hierzu:
b) Diese hat Gott seinen dazu erwählten Menschen offenbart. (Verse 10-12) c) "... übermittelt in vom Geist gelehrten Worten" - also kein mechanisches Diktat; kein Auslöschen der Persönlichkeit des Schreibers, sondern der Geist leitet in der Wortwahl aus des Schreibers eigenem Wortschatz. (V. 13) d) Diese geistgelehrten Worte, in denen die Offenbarung ausgedrückt wurde, werden wahrgenommen nur durch geistliche Gläubige. (V. 15f.) Der biblische "Fundamentalismus" nimmt dieses und andere Selbstzeugungen der Bibel, die den Anspruch erheben, dass dies göttliche Offenbarung ist, ernst (z.B. 2.Petr 1,19-21; 2.Kor 2,17; Gal 1, 11f.; 2,5; Heb 4,12; Offb 1,1 u.a.). Wenn der biblische "Fundamentalist" also die Bibel als Offenbarung Gottes ernst nimmt, ist dies ein Glaubensstandpunkt, der auf dem Selbstzeugnis der Schrift selbst beruht. Der biblische "Fundamentalist" versucht aber nicht, einen anderen Menschen mit Gewalt zu dieser Haltung zu bekehren. Er hält es mit Calvin:
Es gibt aber aber einen nachträglichen Erfahrungsbeweis:
Es gibt für den "Fundamentalismus" keine ausserbiblischen Lehrautoritäten. Zum Unterschied zur römisch- katholischen Kirche gibt es für "biblische Fundamentalisten" keine der Bibel übergeordnete Autorität. Gegenüber röm.-kath. Kirche hat die Reformation das "sola scriptura" [ 33 ] betont.
1. Hat der "Fundamentalismus" eine schismatische [ 35 ] Wirkung?Solange der biblische "Fundamentalismus" in den Kirchen wirken kann und akzeptiert (nicht nur toleriert) wird, gibt es seinetwegen kein Schisma. Zu dieser Auffassung führe ich einen "unverdächtigen" Zeugen an, nämlich Prof. Dr. Helmut Thielicke, der, obwohl er die naiven «Fundamentalisten» aus ihren vielen "Verdrängungen" und "Verklemmungen" befreien will, ihnen folgendes Zeugnis ausstellt:
Thielicke sieht auch gut, dass der Verlust der "Fundamentalisten" schwerwiegende Folgen haben könnte:
2. Positive Folgen der "fundamentalistischem" BibelhaltungWeil die "Fundamentalisten" die Bibel als Offenbarung Gottes ernstnehmen, gibt sie ihnen echte Antworten auf Fragen des Lebens und des Sterbens. Der biblische "Fundamentalismus" bekennt sich nicht zu einer Kirche, sondern zu einer Bibel in verschiedenen Kirchen und Denominationen. Die Existenz verschiedener Kirchen und Denominationen ist nichts Negatives, solange sich diese dem Wort Gottes unterstellen. Die Bibel gibt uns, wenn sie göttliche Autorität und Norm für uns ist, auch, Wertmassstäbe für das eigene Leben und das gesellschaftliche Zusammenleben. Wenn unsere Wertmassstäbe verbindlich von Gottes Offenbarung, der Bibel, kommen, sind sie zu unserem Wohl; denn Gott meint es gut mit uns. In unserer Welt braucht es Strukturen und Ordnungen. Wo das nicht der Fall ist, oder wo göttliche Ordnungen nicht mehr gelten, gereicht dies dem Einzelnen und der Gesellschaft zum Nachteil. Wenn Gottes Wertmassstäbe nach der biblischen Norm nicht mehr gelten, lesen wir in den Zeitungen und hören in den Nachrichten von: Morden, Einbruchsdiebstählen, Entreissungsdiebstählen, Fahrzeugdiebstählen, Raub, Erpressung, Attentaten, Entführungen, Vergewaltigungen, Verbrecherbanden, "Kriminaltourismus", Zunahme krimineller Delikte usw. Die Bürger werden mehr und mehr beunruhigt, verunsichert, erschreckt, oder, wenn verbindliche göttliche Wertmassstäbe nichts mehr gelten, kommen andere, neue, oder aber gar keine Wertmassstäbe mehr zur Geltung, wie wir dies heute am laufenden Band erleben (z.B. Auflösung des verbindlichen Zusammenlebens in der Ehe, Sanktionieren von sündigen Verbindungen usw.). Unsere Gesellschaft erlebt heute schon die verheerenden Folgen des Verlassens der göttlichen Ordnungen. Es braucht heute ein grundsätzliches Umdenken über das, was biblischer "Fundamentalismus" ist und was er nicht ist. Es handelt sich bei ihm nicht um eine Gewalt anwendende, sture, extreme, fanatische Bewegung. Das einzige Eigenschaftswort, das meines Erachtens passt, ist konsequent. Er ist eine konsequente Bewegung.
3. Biblischer "Fundamentalismus" ist konsequentDiejenigen, die, wie Bergmann u.a., sagen wollen, was in der Bibel inspiriert ist und was nicht, was echte Worte Jesu und was unechte, ihm von aussen in den Mund geschobene Äusserungen sind, verkennen die Konsequenz einer solchen Behauptung. Wenn ein Mensch sich anmasst, zu bestimmen, was inspiriert ist und was nicht, was echt ist und was nicht, dann ergibt sich daraus, dass jeder für sich wieder etwas anderes für 'nicht inspiriert' oder 'unecht' erklären kann. In letzter Konsequenz endet diese Haltung in einem völlig unverbindlichen Relativismus [ 40 ] . Damit untergräbt man die Autorität der Heiligen Schrift und vertauscht sie mit der Autorität von sterblichen Menschen. Wenn man mit Ouweneel Werturteile über die Historizität gewisser biblischer Aussagen abgibt (vgl. die Frage über die Historizität Adams im Vergleich mit derjenigen von Jesus), so kann man in der Konsequenz nicht verhindern, dass andere historische Aussagen ebenfalls bezweifelt oder in Frage gestellt werden. Wenn man geschichtliche und naturwissenschaftliche Aussagen mit Bergmann als 'Nebenfragen' bezeichnet, die man von Heils- und Glaubensfragen als nicht massgebend trennen will, dann folgt daraus, dass auch die letzteren bezweifelt werden, weil sie untrennbar mit den ersteren verknüpft sind. So sagt Jauncey:
Francis Schaeffer schreibt über die Folgen davon, wenn man die oben genannte konsequente Schrifthaltung verlässt:
Und John H. Gerstner schreibt:
In der Konsequenz geht es um ein Entweder-Oder: Entweder hat sich Gott offenbart, oder er hat sich nicht offenbart. Eine Halboffenbarung ist unmöglich. Ouweneel meint, man dürfe doch Fragen stellen. Aber welches Ziel haben solche Fragen? Warum z.B. die Frage nach der Historizität Adams? Die Schlange hat auch Fragen gestellt. Damit fing die Versuchungsgeschichte und der Sündenfall an. Welches Ziel hatten die Fragen der Schlange? Das Entweder-Oder, für das wir uns entscheiden müssen, möchte ich so formulieren:
4. SchlusswortNachdem wir uns grundsätzlich mit dem sogenannten "Fundamentalismus" auseinandergesetzt haben, möchte ich am Schluss betonen, dass es mir nicht um die Verteidigung eines "-ismus" geht, sondern um die Bezeugung der «ganzen Inspiration, ganzen Wahrheit in jeder Hinsicht und der ganzen geistgewirkten Einheit» der Bibel als göttlicher Offenbarung. Mit biblischem Fundamentalismus meine ich lediglich diese Bibelhaltung (ich sage bewusst nicht dies "Bibelverständnis"; es geht nicht um ein besseres oder schlechteres Verständnis!). Wenn man diese Bibelhaltung als blossen Konfessionalismus abtun und r in diesem Sinne mit den erwähnten, 1910 entstandenen "fundamentals" in den USA argumentiert, so zeugt dieses einfach von mangelnder Kenntnis der Bibel- und Kirchengeschichte. Diese Bibelhaltung (oder biblische "Fundamentalismus") war die Haltung von Jesus und den Aposteln. Jesus hat ohne jede Einschränkung die Inspiration und Autorität der Heiligen Schrift anerkannt. "Die Schrift sagt" war für ihn gleichbedeutend mit "Gott sagt". Der Apostel Paulus bekennt vor dem Stadthalter Felix:
Die "fundamentalistische" Bibelhaltung kennzeichnet auch die Reformation. Im Berner Synodus [ 44 ] von 1532 steht:
Das Zweite Helvetische Bekenntnis, verfasst vom Reformator Heinrich Bullinger, erstmals erschienen 1566 als Bekenntnis der schweizerischen reformierten Kirchen, ist im oben definierten Sinn ein "fundamentalistisches" Bekenntnis. Auf dieses wurden die Pfarrer und Kirchen bis zur Aufklärungszeit (z.T. bis ins 19. Jh.) verpflichtet. Für die oben beschriebene "fundamentalistische" Schrifthaltung gingen die Hugenotten nach Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) auf die Galeeren, in die Gefängnisse, auf die Flucht und in den Tod. Der "biblische Fundamentalismus" war also von Anfang der Kirchengeschichte an ihr Glaubensfundament; wenn er darin keinen Platz mehr hat, bedeutet dies das Ende dieser Kirche. Mit obiger Abhandlung haben wir auch eine Antwort auf die Frage, was "Bibeltreue" heisst, die an der KBA [ 46 ]behandelt wurde. Die oben beschriebene Bibelhaltung des biblischen "Fundamentalismus" beschreibt genau, was wir unter "bibeltreu" verstehen sollten.
[ A ] Der Autor, Professor Dr. Samuel R. Külling war seit 1970 Professor für Altes Testament an der Theologischen Hochschule Basel, Mühlestiegrain 50, CH-4125 Riehen. Von 1980 - 2004 war er der Schriftleiter von FUNDAMENTUM, der Vierteljahrezeitschrift der Theologischen Hochschule Basel. Fußnoten
[ 1 ]
IDEA-Spektrum 42/2001, vom 17. Oktober 2001
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