Die Geschichte der Baptisten in Deutschland1933 - 1945: Die Baptisten im Dritten Reich (Folge 5/12)Von Andreas Liese, Bielefeld [ 1 ] Der Nationalsozialismus wird begrüßtNach der Machtübertragung an Hitler im Januar 1933 ist zu beobachten, dass sich die Baptisten in den folgenden Monaten sehr ambivalent verhielten. Einerseits gab es - wie in den großen Kirchen - zustimmende Äußerungen zum Nationalsozialismus, die sich besonders in der Zeit nach den Märzwahlen häuften. So führte C. Brauns im "Wahrheitszeugen" aus: Er sei "dankbar, dass [Gott] uns so über Erwarten freundlich angeschaut hat, uns nicht in das Chaos wie in Rußland hat abgleiten lassen. In der nationalen Bewegung ruft er noch einmal ähnlich wie in der Reformationszeit zur Einkehr und Buße." Auch war man froh darüber, dass Hitler den Parlamentarismus abgeschafft hatte. Begrüßt wurde auch der Kampf gegen die Unsittlichkeit. Vereinzelte kritische Stimmen, die es auch gab, können das – aus heutiger Sicht - negative Gesamtbild aber nicht nachhaltig korrigieren. Die Gefahren lauernAndererseits erkannten besonders die Verantwortlichen im Baptistenbund, dass das Jahr 1933 an den Freikirchen nicht spurlos vorübergehen würde. So befürchtete man eine Gleichschaltung mit der evangelischen Kirche; besonders Äußerungen der Deutschen Christen, d.h. also der Parteigänger der Nationalsozialisten innerhalb der evangelischen Kirche, trugen zur Beunruhigung bei. So versuchte man in zwei Richtungen diesen Gefahren vorzubeugen: Zum einen wurde im Sommer 1933 das Führerprinzip eingeführt (Bundesälteste), 1936 aber teilweise wieder aufgegeben; es passte nicht zur kongregationalistischen Struktur des Bundes. Zum anderen entwickelte man Pläne für eine vereinigte evangelische Freikirche. Nachdem man aber sowohl vom Staat als auch mehrmals von der evangelischen Kirche gehört hatte, dass an eine Eingliederung der Freikirchen in die evangelische Reichskirche nicht zu denken sei, wurden diese Pläne wieder aufgegeben. Die Anpassung bleibt nicht ausDie Anerkennung durch den Staat forderte aber ihren Preis. So wurde schon der baptistische Weltkongress 1934 vom NS-Staat zu Propagandazwecken ausgenutzt. Ganz offen ließ sich Paul Schmidt zusammen mit dem Methodisten Melle 1937 auf der ökumenischen Weltkonferenz in Oxford vom NS-Staat instrumentalisieren, indem man erklärte, dass in Deutschland Religionsfreiheit herrsche und man ungehindert das Evangelium verkündigen könne. Dies stieß v.a. in Kreisen der Bekennenden Kirche auf Empörung, da man hier besonders den Repressionen des Staates ausgesetzt war. Dieser Anpassungskurs wurde bis zum Ende des Krieges fortgesetzt. An der Erklärung auf der Oxforder Konferenz zeigt sich jedoch auch, was für die Baptisten der entscheidende Maßstab für ihr Verhältnis zum NS-Staat darstellte: So lange man mehr oder minder missionieren konnte, sah man keine Notwendigkeit, sich dem Regime zu widersetzen. Man konnte so erreichen, dass die Baptisten nicht verboten wurden. Trotzdem begannen sich ab 1935 die Schwierigkeiten (Verbote von Jugendfreizeiten beispielsweise) zu häufen. Auch musste man feststellen, dass man von der Gestapo bei ihren Recherchen als Sekte eingestuft wurde. Besonders das Verbot der Geschlossenen Brüder (Christliche Versammlung) machte den baptistischen Verantwortlichen die gefährdete Stellung der Freikirchen deutlich. Die Schwierigkeiten werden deutlichNicht zuletzt diese Entwicklung trug dazu bei, dass besonders Paul Schmidt ab 1937 die Idee der Vereinigung der taufgesinnten Gemeinden verfolgte. So stellen diese Bestrebungen eine Gemengelage von kirchenpolitischen und religiösen Motiven dar. Die Verhandlungen zwischen den Baptisten, Freien evangelischen Gemeinden und den "Brüdern" führten aber zu keinem greifbaren Ergebnis, so dass man die Gespräche zu Beginn des Zweiten Weltkrieges einstellte. Ende 1940 kam dann Hans Becker, der alleinige Leiter des aus dem Personenkreis der verbotenen Christlichen Versammlung gebildeten Bundes freikirchlicher Christen (BfC) auf die Baptisten mit dem Wunsch zu, einen gemeinsamen Bund zu gründen. Der Bund wird gegründetSchon im Februar 1941 konnte man die Vereinigung beider Bünde beschließen; die staatliche Anerkennung des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) erfolgte aber erst im Herbst 1942. Für Becker war damit - neben dem Wunsch nach der Einheit der Christen - sicher gestellt, dass auch ohne ihn – er war 1939 zur Luftwaffe einberufen worden – die Brüdergemeinden mit ihrer speziellen Ausrichtung überleben könnten. Die Baptisten ihrerseits gewannen den Eindruck, zunehmend Repressionen ausgesetzt zu sein. So spielte bei ihnen neben der Verwirklichung der Einheit der Gemeinde die Hoffnung eine Rolle, durch die Verbindung mit dem BfC den Gefährdungen angemessen begegnen zu können. Die BfC-Gemeinden selbst erfuhren eine Statusverbesserung; so entfiel beispielsweise jetzt die Überprüfung neuer Gemeindemitglieder durch die Gestapo. Jetzt waren aus ihnen – wenn man dies für diese Zeit überhaupt so formulieren kann - normale freikirchliche Gemeinden geworden. Die Judenverfolgung wird hingenommenEin düsteres Kapitel stellt das Verhalten der Baptisten gegenüber der Judenverfolgung dar. So bezog der Baptistenbund beispielsweise keine Stellung zum Novemberpogrom 1938. Über organisierte Hilfsmaßnahmen des Bundes für verfolgte Juden ist nichts bekannt. Christen jüdischer Herkunft erfuhren in einzelnen Fällen Unterstützung, vielfach wurden sie aber in den Gemeinden ausgegrenzt, so beispielsweise Joseph Halmos in der Baptistengemeinde in München; er kam 1943 in Auschwitz um. Erst 1997 wurde diese Schuld in einer Handreichung des BEFG explizit benannt. Lektürehinweise:
1. Aufsätze:
[ 1 ] Der Autor, Dr. Andreas Liese, schrieb diesen Beitrag anläßlich des Jubiläumsjahres 2009: 175 Jahre Baptisten in Deutschland.
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