EIN STREIFZUG DURCH DIE GROSSEN RELIGIONEN DER WELT

*** Der Konfuzianismus und Taoismus im Überblick ***



DER KONFUZIANISMUS

Das Leben des Konfuzius

Konfuzius entstammt der Königsfamilie der Schang, und zwar über Tschung-se, dem Fürsten von Wei. Er kam in Tsche-fozu zur Welt; Sein Urgroßvater, Kung Faeng-Schu, soll Statthalter von Tsche-fozu gewesen sein. Sein Vater Tschu-liang Ho, ein unbemittelter Heerführer, hatte eine Tochter und einen verkrüppelten Sohn aus erster Ehe. Mit über 70 Jahren heiratete er in zweiter Ehe Tsching-Tsi, ein ganz junges Mädchen, das zum Berg Ni Kiu pilgerte, um einen Sohn zu erflehen (daher Meister Kungs Beinahme Kiu). So wurden Isaak und Lao-tse ebenfalls am Lebensabend ihrer Väter gezeugt.

Mit drei Jahren verlor Kung Kiu (oder Tschung-ni) seinen Vater. Seine Mutter war erst 18 Jahre alt und musste, um ihren Sohn durchzubringen, schwere Landarbeit auf dem Stückchen Land verrichten, das sie als Witwe eines Staatsbeamten erhalten hatte. Er selbst berichtet: "Als ich klein war, befand ich mich in äußerst bescheidener Lage." Vom 15. Lebensjahr an besuchte er die Schule der Schriftgelehrten. Bald galt sein Interesse der Vergangenheit mit ihren Traditionen. Er soll sich schon in seinen Spielen mit der Darbringung von Opfern und ihren Riten befasst haben. Mit 17 Jahren erteilte er Privatstunden und machte sich gleichzeitig mit dem Militärwesen und den Zeremonien bei Hofe bekannt. Dort lernte er Bogenschießen, Wagenlenken, Geschichte, Literatur, Tanz, Musik. Dazu kamen Schreiben und Rechnen. Er hatte sich in drei Haupttugenden unterrichten lassen.

    1. Treue gegenüber den Fürsten

    2. Treue gegenüber dem Meister

    3. Treue zum Vater

Mit 19 Jahren heiratete er und bekam einen Sohn Li, der sich in keiner Weise auszeichnete. Mit 22 Jahren eröffnete er in Lu seine eigene Schule. Außer Fächern im Freien und Geschicklichkeitsübungen (Bogenschießen, Wagenlenken), erteilte er Unterricht über das Altertum, den Schu-King (Buch der Urkunden über die Geschichte der Könige) und die Chronik des Staates Lu. Eines Tages reiste er mit seinem Schüler und seinem Diener auf einem von zwei Pferden gezogenen Wagen nach Osten ab, dem Damm des gelben Flusses entlang. Er trennte sich von seiner Frau, um für sich zu leben. Auf seiner Pilgerfahrt traf er auch Lao-tse. Meister Kungs Heimkehr nach Lu war von großem Erfolg begleitet.


Die Lehre des Konfuzius

Will man den Konfuzius recht verstehen, muss man sich auch mit der antiken Religion Chinas befassen. Denn die Tradition blieb in China ungebrochen. Nach altchinesischer Auffassung sind Himmel, Erde und der Mensch, eine große umfassende Einheit, ein Universismus. In diesem Zusammenhang mag interessant sein, dass in der chinesischen Malerei keine Trennung von Erde und Himmel existiert, sondern das Eine in das Andere übergeht. Die antike Religion ging von menschlichen Lebensbedingungen aus: Die Rolle des Ackerbaus, die Jahreszeiten, Bewässerung, kriegerisches und beschützendes Auftreten der Jäger und später der örtlichen Lehnsherren sowie die Bedeutung der Sippe, ihres Zusammenhalts und ihrer Betriebsamkeit.

Es bildeten sich die familiären Götter aus. Gottheiten der Natur, der Berge und Quellen Flüsse und Bäume, die angebetet und um Hilfe ersucht wurden. Frühzeitig bestand auch schon ein Ahnenkult. So konnte sich die Gegenwart der unsichtbaren Ahnen in Gegenständen und Tafeln verkörpern, die zu einer Art Fetisch wurden. Die Macht der Ahnen war groß, wurden sie vernachlässigt, kam es zu Unglück und Elend. Religiöse Zeremonien zielten das darauf hin, die menschliche Seele über das Alltägliche hinauszuheben und sich ihrer Selbst bewusst zu werden. Aberglaube und Magie überwucherte die Religion. Hier hat Konfutze für Ordnung gesorgt. Den Menschen hat er einen Weg zu ihrer geistigen Befreiung gezeigt. Für ihn ist der Mensch und sein Innenleben eine Art Mikrokosmos, ein Widerschein des Makrokosmos des Universums.

Konfutze, den wir den großen Weisen nennen, hat seinen Begriff vom vollkommenen Menschen, vom idealen Weisen (Ju) weder auf sich noch auf seine Zeitgenossen angewandt. Er meinte: "Jeder Mensch, der beabsichtigt, sein Innenleben zu entfalten, muss einfach nach den Zeiten in der menschlichen Natur suchen und sich danach halten". Der Jen, die Tugend der Menschlichkeit, ist ein Begriff, der die Beziehungen der Menschen betrifft. Als erste Stufe des Jen gilt es, ein guter Sohn, ein guter Vater, ein guter Bürger zu sein.

Der Kernpunkt der Lehre des Konfutze, des "Großen Meisters" betrifft (Li) die Voraussetzung für den Erfolg jeder gesellschaftlichen Ordnung. In Gedanken und Gesprächen finden sich prägnante ethische Leitsätze und Sprichwörter. "Bei allem muss der Mensch ständig nachprüfen, ob er in der Harmonie mit der kosmischen Ordnung handelt, und sobald dem nicht so ist, herausfindet, wie er wieder auf den rechten Weg kommen kann. Deswegen sind die Orakel so wichtig. Die Idee der Harmonie und der kosmischen Ordnung ist das ganze menschliche Leben."

Die Macht der geistigen Kräfte ist überall im Universum am Werk. Dem Auge unsichtbar, den Sinnen unzugänglich, durchdringt sie alles. "Dem Himmel und der Erde Opfer darbringen, das bedeutet Gott dienen. Eine Feier im Tempel der Ahnen abhalten, das bedeutet, die Ahnen ehren." Nur jene auf der Welt, die sich wirklich selbst erkennen, können sich erfüllen. "Sucht euch selbst zu erkennen und bezieht euch auf den Li (Die kosmische Ordnung von der die soziale Ordnung ausgeht."

Der Kernpunkt der Lehre des Konfutze steht als Leitsatz fest, dass das Sittengesetz ( Li ) die Voraussetzung für den Erfolg jeglicher gesellschaftlichen Ordnung sei. Das Buch "Gedanken und Gespräche", aus dem wir einige Zitate anführten, ist dem vorbildlichen Verhalten des edlen Menschen von konfuzianischer Prägung gewidmet. Besonderes Gewicht legte er auf seine Vorschriften bei Opferhandlungen und Ritualen. Da Konfutze wie alle Chinesen an die Erbsünde des Menschen glaubte, aber auch an den guten Kern des Menschen, hielt er strenge Gesetze für überflüssig. Das Gute ist Iehrbar und erlernbar; an der Allmacht des guten Willens ist Konfutze nie ein Zweifel gekommen. Als Beispiel: "Ist der Mensch tugendhaft, wird es auch das Volk sein." Konfutze wollte nicht Gründer eines Glaubens sein. Seine Schüler haben im Laufe der Zeit aus seinen Lehren durch seine Denkschulen ihm selbst kultische Ehren zuteil werden lassen, zunächst als Weiser und Vorbild, später aber auch als Gott. 495 v. Chr. erwies der Kaiser ihm kultische Verehrung.

Um was es Konfutze in der Ethik ging, sind: Menschlichkeit, Güte und Sinn für Moral. Von Jen leitet er Duldsamkeit und Toleranz ab. So forderte Konfutze: "Tue anderen nicht an, was du nicht wünschest, das man dir antue."

Der Ju betraf die schrittweise Selbsterziehung entsprechend der goldenen Regel der Gegenseitigkeit: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu." Der sittliche Mensch, der Ju, gibt sich bescheiden, sagt Konfuzius. "Der gewöhnliche Mensch will Aufsehen erregen. Der gewöhnliche Mensch tut Böses in seinem Privatleben, das er vor dem Weisen zu vertuschen sucht. Das ist ganz umsonst, denn man braucht ihn nur zu betrachten, um in seinem Herzen zu lesen." Das Sprichwort sagt: "Das Aufrichtige im Herzen des Menschen steht in seinem Gesicht geschrieben." Sein Bildnis vom Weisen beschreibt er so: "Das ist ein Mensch, der das Essen vergisst, wenn er sich für einen Gegenstand begeistert, der nicht mehr an seine Erfolge denkt, wenn er glücklich ist, und bemerkt, dass das Alter herannaht."


Weitere Aussprüche und Gedanken des Konfutze:

  • "Wenn das eigentlich, echte Ich und die Wahrheit und die wahre Harmonie verwirklicht sind, wird das Universum zu einer kosmischen Ordnung, wo alle Dinge wachsen und sich in ihrer ganzen Fülle entfalten."
  • "Die Macht der geistigen Kräfte ist überall im Universum am Werk."
  • "Dem Auge unsichtbar, den Sinnen unzugänglich, durchdringt sie alles.."
  • "Dem Himmel und der Erde Opfer darbringen, das bedeutet Gott dienen."
  • "Eine Feier im Tempel der Ahnen abhalten, das bedeutet die Ahnen ehren. Wenn man nur den Sinn dieser Opfer (und dieser Feiern) verstünde, könnte man ein Volk im Handumdrehen regieren."
  • "Nur jene auf dieser Welt, die sich wirklich selbst erkennen, können sich erfüllen. Nur jenen, die sich erfüllen können, gelingt es, anderen dazu zu verhelfen, sich zu erfüllen."
  • "Die moralischen Gesetze gehören zu demselben System wie die Gesetze, die den Ablauf der Jahreszeiten, der Tage und der Nächte bestimmen..."
  • "Sucht euch selbst zu erkennen und bezieht euch auf den Li (die kosmische Ordnung, von der die soziale Ordnung ausgeht)."
  • "Sobald ein Mensch, ganz gleich gültig welche Stellung er auf der sozialen Stufenleiter einnimmt, das Gesetz der Menschlichkeit (den Jen) in Harmonie mit dem Gesetz des Himmel ausübt, wenn er auf dem guten Weg vorwärts schreitet (dem Tao), so schafft er ipso facto durch sein Vorbild eine wohltuende Ordnung in seiner Umgebung, in seiner Familie, in seinem Amte, in seinem Staat."

Die Haltung Meister Kungs gegenüber seinen Jüngern war vorbildlich. Keine Künstelei, sehr viel Einfachheit und Herzlichkeit, auch Demut und eine Würde, die jede unangebrachte Vertraulichkeit verhinderte. Die Gespräche mit seinen Jüngern erwecken den Eindruck von Wahrheit und Freiheit. Die Vergöttlichung des Konfuzius ist eine Späterscheinung des volkstümlichen Konfuzianismus. Bei den ersten Jüngern ist keine Spur davon zu sehen. "Der Meister war sanft, liebenswürdig und fröhlich, gleichzeitig aber würdig und achtunggebietend. Er war nicht heftig, sondern sehr zuvorkommend und sich trotzdem seines Wertes bewusst." Hier soll noch die Einstellung von Konfuzius und Menzius, seines großen Erläuterers zum Eheleben erwähnt werden:

Beide haben geheiratet. Beide haben ihrer Mutter große Achtung bezeugt. Aber weder der eine noch der andere haben sie in ihrem Werk berücksichtigt. Die Frauen hielten sich bescheiden im Hintergrund und überließen ihre Söhne und Gatten ihren literarischen Aufgaben und ihren Pilgerfahrten. In Wirklichkeit lebten beide Männer in der Familie ihrer Jünger und ihrer Vorfahren im engen Rahmen ihres eigenen Heims. Die untergeordnete Stellung der Frau blieb im Verlauf der ganzen chinesischen Geschichte erhalten, und die konfuzianische Schule hat bestimmt nicht dazu beigetragen, etwas daran zu ändern. Konfuzius ist der Ansicht, wie wir gesehen haben, dass man die Götter dort lassen soll, wo sie hingehören, und dass man sie nicht mit den Angelegenheiten der Menschen vermischen soll.

Man darf jedoch die Vielfalt der Götter nicht mit der Einzigkeit des höchsten Herrschers verwechseln, mit dem Weltgesetz, das Leben und Vernunft ist und über allen Dingen waltet. Aus der Tatsache, dass Konfuzius die metaphysischen Probleme beiseite schob und die Götter in den Hintergrund stellte, wo sie nur noch eine dekorative Rolle spielten, darf man nicht schließen, dass er sich den Himmel leer vorstellte oder dass er der Ansicht war, der Mensch und seine Vernunft füllten ihn gänzlich aus. Das Gegenteil entspricht der Wahrheit: Der Himmel durchdringt die ganze Realität des Menschen, und wenn er sich zurückzieht, hinterlässt er in ihm nichts als ein Nichts oder ein Chaos. Der Agnostizismus des Konfuzius war ein Schlag für den allzu verbreiteten Aberglauben und die Vermessenheit des Menschengeschlechts, das es an Achtung gegenüber dem höchsten Herrscher, der Verkörperung des Himmels mangeln ließ, indem es die Substanz des Weltalls, das Urprinzip des Lebens, die Wirklichkeit selbst auf das Ausmaß eines Gottes nach dem Abbild des Menschen - und sei es auch des größten und weisesten von allen - herabwürdigte.

Die Achtung auf religiöser Ebene zieht jede andere Art von Achtung nach sich. Deswegen wollen wir mit dem Zitat eines konfuzianischen Klassiker enden: "Wenn ein Mann ständig von der Umwelt in Anspruch genommen wird und er nicht Herr über seine Gelüste und seinen Widerwillen ist, so wird er von dieser Umwelt verschlungen - er verliert den Sinn für das Menschliche und wird zum Materialisten... Dann herrscht Unordnung."


DER TAOISMUS

Laotse, der alte Meister (von 604-517 v.Chr.) wurde in der Jangtseprovinz geboren. Weder Geburt noch Tod sind mit sicheren Daten belegt. Er wird als Adliger geschildert, der zurückgezogen lebte. Er hat das Amt eines kaiserlichen Archivars begleitet. War im Konfuzianismus der Pragmatismus die treibende Kraft, so ist es im Taoismus der Quietismus, das Nichthandeln ist das Ideal. Viele magische und okkulte Praktiken überwuchern in der Frühzeit den Taoismus.

Die Meditation stand im Mittelpunkt des Lebens. Sein Denken galt dem Tao, dem Weg zur persönlichen Unsterblichkeit. Viele Menschen zogen in die Berge, um in abgelegenen Einsiedeleien Vergeistigung zu suchen.

Im Laufe der Jahrhunderte sank der Taoismus zu purem Götzendienst und Aberglauben. Geisterbannerei, Wahrsagen, Zauberei, Amulettenhandel und Alchemie ließen die Ähnlichkeit zum primitiven Fetischismus aufkommen. Im Taoismus beschäftigte man sich vor allem mit dem Jenseits. Ruhe und Traum waren die Mittel, mit denen sie unmittelbar in das unsterbliche Dasein eindrangen. Der Einfluss des Buddhismus brachte den Glauben an die Seelenwanderung. Die Toleranz der asiatischen Religionen ließ solch einen Synkretismus zu. Dadurch war die tief mystische Philosophie des Laotse im Laufe der Jahrhunderte verändert worden.


Gegenüberstellung von Konfuzianismus und Taoismus

1. Konfutzes Lehre: Bildung, sittlicher Wandel, Loyalität. Aufrichtigkeit. Er hat dem Ritus (Li ) einen wesentlichen Einfluss zugemessen, so auch dem Ahnenkult. Beiden gemeinsam ist sie Wichtigkeit des Weges, des Tao. Konfutze versteht darunter die Art und Weise, nach der ein Staat oder Mensch den Pfad in Tugend wandeln sollte.

2. Laotse: Durch halbmystische Äußerungen, oft dunkel und rätselhaft beschrieb Laotse den Weg Taos. Es geht ihm um das Leben in Harmonie mit dem Urgrund der Welt. Seine Tugenden waren: Demut und Interesselosigkeit an der Welt der Erscheinungen, ganz im Gegensatz zu Konfutze. "Durch das Nichtstun ist alles getan," so Laotse. So hat er drei Kleinodien gehalten und bewahrt.

Das erste heißt Liebe, das zweite Sparsamkeit. Das Dritte: Wage nie, der erste auf der Welt zu sein: "Der Himmel bewaffnet mit Liebe denjenigen, den er erretten will."

 

© 2000 Dr. Gerhard Fetzner

 

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