EIN STREIFZUG DURCH DIE GROSSEN RELIGIONEN DER WELT*** Der Hinduismus im Überblick ***DER HINDUISMUSDie Grundlagen des Hinduismus sind zum Teil indo-europäischen Ursprungs, zumindest, was den äußeren Rahmen betrifft; der Inhalt ist weitgehend indisch. Das heißt, die arischen Stämme, die im 2. Jahrtausend v. Chr. in Indien einfielen, brachten bereits feste religiöse Vorstellungen mit, die nach einem reichlich umfassenden Umwandlungsprozess im klassischen Hinduismus fortlebten. Die Religion der arischen Eindringlinge und der heutige Hinduismus haben nicht mehr viel gemeinsam. In den Hinduismus sind wahrscheinlich vorarische oder zumindest nichtarische, von den lokalen Kulten übernommene, das heißt von den indischen Verhältnissen geprägte Praktiken eingegangen. Außerdem prägt der Hinduismus die Gesellschaft als solche: Das Kastensystem mit seinen verschiedenen "Lebensstadien" ist von der indischen Welt nicht fortzudenken. Die älteste Form des Hinduismus ist der Vedismus. Veda heißt im Sanskrit: Wissen, Weisheit. In der vedischen Religion gab es keinen obersten Herrscher, sondern eine Vielzahl von Göttern, die mit bestimmten sozialen Funktionen und Riten in Verbindung gebracht wurden. Es gab einige Gottheiten, die einen Ehrenplatz einnahmen. Neben Vedismus sprechen andere noch von "Bramanismus", worunter sie die ältesten gelehrten Formen des Hinduismus verstehen. Die Herausbildung der Theorie des Karma, der Seelenwanderung erklärt sich aus der Vielfalt der religiöser Einflüsse. Sie ist eine pessimistische Religion der Entsagung zu nennen. Alles ist Sache des Individuums. Der Hindu ist, auch wenn er einer Gruppe angehört, allein für sein Heil verantwortlich. Spannungen zwischen der organisierten Welt des Klosters und einer von ihm abhängigen Umgebung kennt der Hinduismus nicht. Der VedismusEs fällt schwer, die klassische Mythologie zu begreifen, ohne auf den Veda, die Quelle der häuslichen Riten und vieler hinduistischer Spekulationen, Bezug zu nehmen. Den Begriff Religion kennen die Hindus nicht. Si sprechen von Dharma, das heißt: Der Mensch hält sich auf dem rechten Weg. Der Vedismus war von der Richtigkeit der Riten und von deren Wirksamkeit überzeugt. Moralische Pflicht der Gläubigen ist, gute Werke zu tun und zu geben." (Gebt, so werdet ihr empfangen). Es fehlte ihm aber die klare Vorstellung von den letzten Dingen und dem zukünftigen Leben. In den Gebeten, die der Mensch zu den Göttern empor schickte, flehte er um materielle Güter und "langes Leben". Der BrahmanismusBrahman heißt in Sanskrit "Heilige Macht", in der indischen Philosophie der Welt den Ursprung alles Seins. Der Brahmanismus ist eine Vorform des Hinduismus. In der langen Geschichte des Brahmanismus und des Hinduismus schwankt der Begriff Brahman zwischen einem unpersönlichen absoluten, ein andermal wird von einem allmächtigen, persönlich handelnden Wesen gesprochen. Einmal ist es der unvergänglich Seiende, dann wieder der Gebieter der Welten und der Welten Herr. Gegen Ende der sogenannten vedischen Epoche tauchen neue Texte, die Upanishaden oder die "Gleichwertigen" auf, die, ohne die alten Denkmodelle aufzugeben, ein Art Geheimlehre darstellen und anhand von Gleichnissen klarzumachen versuchen, dass der Ätman oder die Einzelseele mit dem Brahma oder der Allseele identisch ist. "Du bist Das" heißt "DU, der einzelne bist mit dem Seinsgrund, dem Absoluten identisch." Der Gott soll Besitz ergreifen von seinem Leib. Deshalb spielt auch hier im Hinduismus, die Reinheit eine Schlüsselrolle. Beim Beten werden die heiligen Formeln endlos wiederholt. Diese Form des Betens ist der geistigen Konzentration förderlich. Der Gläubige kann außerdem die heiligen Schriften lesen und sich vor allem in die Meditation hineinversenken. Er kann sich in eine solche geistige Anspannung versetzen, dass er das letzte Ziel des religiösen Denkens erreicht: Die Vereinigung mit dem Absoluten. Die täglichen Gebete (morgens, mittags und abends) mit den dazugehörigen Opfern für die Götter, die Weisen, die verstorbenen "Väter" und zu bestimmter Zeit für die Ahnen sind obligatorisch bei den häuslichen Kulthandlungen. Andere häusliche Riten bilden die "Sakramente" bei der Geburt, der brahmanischen Initiation, der Eheschließung und beim Tod. Die kollektiven Zeremonien finden im Tempel oder in unmittelbarer Umgebung statt. Zu dieser Kategorie gehören die Feste (Utsava), wie die neun Tage währende Anbetung der Göttin Durga im Oktober und in desselben Zeit das Lichterfest Divali und das zu Ehren Krishna gefeierte Frühlingsfest (Holi). Als heiliger Ort gilt der Ganges. Der Hinduismus hat auch Elemente des Volkskultes, wie das Anbeten von Bäumen und Schlangen oder bestimmten "Geistern". Daneben spielen auch Magie, Astrologie und andere Formen der Wahrsagerei eine Rolle. Der religiöse Glaube kreist um die Welt der Götter, um die Welt der Attribute und hieratischen Symbole. Der Hinduismus ist seinem Wesen nach polytheistisch, und zwar nicht nur auf der esoterischen Ebene, sondern auch im Bereich der Spekulation, wo Göttergestalten und -symbole seit eh und je eine Rolle spielen. Für den einfachen Gläubigen ist die Vielfalt das Normale, das Gegebene, und innerhalb dieses Rahmens wählt er sich seinen Lieblingsgott. Drei Götter spielen eine wesentliche Rolle. Das sind: Brahma, die maskuline Entsprechung zum Neutrum Brahma, Vishnu das bewahrende und erhaltende Prinzip, und Shiva das Zerstörerische. Shiva ist eine vielschichtige Gottheit, in der sich die dunklen Seiten des Glaubens verdichten wie Angst und Schrecken. Es verkörpert den Kampf gegen Dämonen und das Böse. Wichtig ist, wie die Inder ihre Religion leben und empfinden. Selbst die Welt der Götter ist ein Teil jener Illusionskraft (Mâjâ), die uns an die Wirklichkeit der Erscheinungen glauben lässt. Im Grunde aber liegt die Wirklichkeit jenseits der Erscheinungen. In erster Linie geht es der hinduistischen Philosophie um den Menschen, um ein praktisches Resultat auf menschlicher Ebene. Letztes Ziel ist stets, die Mittel und Wege aufzuzeigen, die zum Freiwerden führen, sei es durch Ausschaltung einer späteren Wiedergeburt, sei es - und das wird wesentlich häufiger angestrebt - durch Verschmelzung mit dem Absoluten. Alles in allem kann man den Hinduismus als die Gesamtheit der Bestrebungen, Befreiung zu erlangen, definieren. Als Semihäresie gilt der Buddhismus. Auch über hinduistisches Mönchswesen gibt es vor allem in Südindien Aufzeichnungen. Die 1899 gegründete Ramakrishna-Mission wurde vom abendländischen Mönchstum angeregt. Sekten entstehen dadurch, dass sich ein Meister unter dem Eindruck einer plötzlichen "Erleuchtung" mit seiner Vergangenheit bricht, Jünger um sich schart und als großer Guru durch Land zieht, und dem Geistesleben seine Stempel aufdrückt. Mit der Erneuerung des Hinduismus bildete sich ein indisches Nationalgefühl. Dennoch strebt die Religion nach Universalität, denn nach indischer Auffassung umfasst der Hinduismus das allgemeine, annehmbare Glaubensgut aller als wahrbetrachtender Religionen und stellt damit eine Zusammenfassung sämtlicher Religionen dar. Die indische GesellschaftDas ethisch soziale Ideal durchdringt die indische Religion. Sie stellt das Dharma als etwas allgemein Gültiges hin. Die Gesellschaft wird in 4 Klassen eingeteilt: An der Spitze stehen die drei arischen Kasten.
2. Krieger 3. Handwerker und Bauern 4. Die Kaste der Unreinen Der nicht befreite Mensch ist dem allgemeinen Schicksal unterworfen durch die Tertar, die sich an seine Ferse heften. So ist er zur Wiedergeburt verdammt. Da die menschlichen Handlungen meist von Bosheit durchdrungen sind, besteht die Gefahr, dass er in niederer Seinsform zum Beispiel als unreines Tier wiedergeboren wird. Das Karma, die Tat, die Folge der Tat (Vergeltungsursache der Tat). Damit stoßen wir auf die Wurzeln des indischen Pessimismus und Vergeltungsdenken mit seinen bedenklichen Folgen. Doch in einem gewissen Grad vermag der Mensch sein Schicksal durch seine Werke zu bestimmen. Deshalb soll der Mensch verdienstbare Werke tun, oder was besser wäre, nicht zu handeln. Das ist auch die Ursache für seine Lehre von der Entsagung: Nur bestimmte moralische Lebensweise wie Aktivitäten und Nächstenliebe werden für lebenswert gehalten. Die Sekten: Die Erschaffung der WeltWie nicht anders zu erwarten, läuft das Ganze auf einen Lobpreis der Brahmanenklasse hinaus. Die Welt war finsternisartig, unwahrnehmbar, ohne Merkmale, unerschließbar, unerkennbar gleichsam im Schlaf. Da geschah es, dass der durch sich selbst Seiende, Heilige, Unoffenbare die Finsternis verscheuchte. Er meditierte und beschloss, aus seinem Leibe die mannigfache Geschöpfe zu schaffen. Da schuf er zu Anfang die Wasser, in diese ergoss er seine Manneskraft. Diese wurde zu einem goldenen Ei, an Glanz der tausendstrahligen Sonne vergleichbar, in ihm wurde er selbst geboren als der Gott Brahma, der Urvater der ganzen Welt. Ein Jahr weilte er in jenem Ei, machte durch Meditation seiner Selbst jenes Ei entzwei. Aus der einen Schale bildete er den Himmel, dazwischen die acht Himmelsgegenden und den ewigen Sitz des Wesens. Aus der zweiten Schale bildete er die Erde. Er ist der Herr über alle Wesen. Alles, was in der Welt ist, ist das Eigentum des Brahmanen. Infolge seines besonderen Ursprungs hat der Brahmane auf alles ein Recht. Ein Begriff des Hinduismus bedarf besonderer Erwähnung und Erläuterung. Es handelt sich um Dharma. Der Begriff ist für die Geistes- und Religionsgeschichte ebenso wichtig, wie er auch vielschichtig ist. Da stehen im Vordergrund Gerechtigkeits- und Wahrheitsliebe, sowohl im sozialen wie psychischen Bereich. Gandhi sprach von "Ergreifung des Wahren". Der Grundbegriff bedeutet: das Prinzip der universellen Stabilität, die stützende, tragende und welterhaltende Macht. Auch die individuelle Frömmigkeit und Tugend wird damit bezeichnet, normative Ordnung des Kosmos zu sein. Die Achtung vor dem Individuum als Individuum ist mindestens im religiösen Bereich keine Entdeckung der modernen Demokratie. Die große, kosmische Wiedergeburt, von der sich die Natur zu befreien strebt, wird erst vollendet sein, wenn der kosmische Prozess sein Ziel erreicht und alle Menschen als Söhne Gottes enthüllt hat, wenn alle Angehörigen des Volkes des Herrn zu Propheten geworden sind, kurz, wenn die universale Inkarnation stattgefunden hat. Zum SchlussOberflächlich betrachtet kann man im Hinduismus irrationale und abergläubische Überzeugungen vermuten. Das Kastenwesen, die Stagnation und seine negativistischen Bräuche gehören dazu. Die Überbetonung der Gewaltlosigkeit und gewisse bedauerliche Gebräuche wie der einst "freiwillige" Feuertod der Witwen oder die häufigen Kinderehen sind die schlechten Seiten des Hinduismus. So bestehen gute und schlechte Seiten in der zwei- bis dreitausend jährigen Religion. Warum sollte man eine Kuh aus dem Wege schaffen und womöglich dadurch seine Seele verlieren? Es darf nicht vergessen werden, dass der begriff des Dharma mit seiner Gerechtigkeits- und "Wahrheits"-idee im sozialen wie im psychischen Bereich ein stabilisierender Faktor darstellt. Es geht um die Treue zum Wahren. Die Entwicklung des Toleranzgedankens, das Postulat der Gewaltlosigkeit sind bemerkenswerte Beiträge zur modernen Welt und die gewichtige Antwort an den Marxismus und Materialismus. Der Hinduismus legt das Schwergewicht auf die Welt der Symbole und der "sekundären" Formen. Nach hinduistischer Auffassung ist die Wahrheit ein unteilbarer Schatz, steht der Weg zum geistigen Leben allen offen, findet das unmittelbar mystische Erleben seine Grenzen in der menschlichen Natur. In ihrer reinsten Ausformung wird diese Religion zur Weisheit, die schon von den Griechen bewundert wurde. Wie wir sahen, ist der Hinduismus eine synkretistische Religion. Viele Götter haben sie schon aus der Zeit des Vedismus übernommen. Der neuzeitliche Hinduismus führte zu verschiedenen Reformbewegungen durch den Einfluss des Christentums. So hat sich Mahatma Gandhi auf die "Bhagdawadgita" und auf die "Bergpredigt " des neuen Testamentes gleichermaßen berufen. Der Yoga-Philosoph, Sri Aurobindo, der von 1872 bis 1950 lebte, berief sich auf die Bhagdawadgita und gleichermaßen auf Kant, Goethe, Hegel, Nietzsche, Beethoven und Richard Wagner. Seine Lehre wurde bekannt als "integraler Yoga". Die Bhagdawadgita, der sogenannte "Gesang des Erhabenen" ist die Bibel des Krishnaismus. Krishna, der sich nach und nach als oberster Herr zu erkennen gibt, lehrt Arjuna das wunschlose Handeln, das den Menschen frei macht. Arjuna war ein Krieger, der Angst und Schrecken bekam bei der Idee, Blut vergießen zu sollen. Wenn jemand alle Wünsche seines Herzens ablegt und wenn sein Geist in sich selbst Genüge findet, wird er als ein in seinem Verstande Feststehender anerkannt. Wer im Leiden nicht erschüttert wird und in Freuden frei von Begierden ist, in welchem Leidenschaft, Furcht und Zorn gewichen sind, der wird ein in seinem Verstande feststehender Weiser genannt. Wer alle Begierden aufgibt, ohne Verlangen handelt, ohne Selbstsucht und Egoismus ist, dieser erlangt den Frieden. Dies ist der göttliche Zustand. Wer ihn erreicht hat, wird nicht (mehr) verwirrt. Wer am Ende in ihm feststeht, geht in die Seeligkeit Gottes (brahmanirvâna) ein. Das sind einige Aussagen Krishnas für den Menschen. © 2000 Dr. Gerhard Fetzner
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Copyright © 2000 by Dr. med. Gerhard Fetzner
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