Paßten alle Tiere in die Arche Noah?

Überlegungen und Berechnungen zur Ladekapazität der Arche

Fred Hartmann / Reinhard Junker [ 1 ]

Problemstellung

Unter Zugrundelegung der Angaben des biblischen Sintflutberichts über die Größe und den Bau der Arche Noah sowie der Anzahl heute lebender und ausgestorbener Grundtypen ("geschaffener Arten") ergibt sich, daß weniger als 20% des Rauminhalts der Arche Noah für eine artgerechte Unterbringung der mitzunehmenden Tiere benötigt wurden. Dabei wird angenommen, daß nur die lungenatmenden Wirbeltiere mitgenommen werden mußten. Einige weitere Fragen zum Überleben der Tiere in der Arche werden diskutiert. Die Auffassung, der biblische Bericht über Noahs Arche sei aufgrund gravierenden Platzmangels historisch unglaubwürdig, ist unbegründet.

Im Zusammenhang mit der Frage nach der historischen Zuverlässigkeit der Bibel wird immer die Glaubwürdigkeit der Sintflutgeschichte mit dem Hinweis bezweifelt, daß die vielen Tierarten wohl kaum auf der Arche "Platz" gefunden hätten. Vorschläge für eine Lösung des Problems findet man in der neueren evangelikalen Literatur nur wenig 3·9. Zur Beantwortung der anstehenden Frage müssen zwei Vorfragen geklärt werden:

1. Wie sah die Arche aus und wie groß war sie?

2. Wieviele Tiere mußte Noah mit an Bord nehmen?



1. Wie sah die Arche aus und wie groß war sie?

In vielen Kinder- und Bilderbüchern wird die Arche als kleines, nußschalenähnliches Boot dargestellt, auf dem Elefant, Zebra und Giraffe dichtgedrängt nebeneinander stehen, während Noah als alter Mann mit weißem Bart staunend aus einem Fenster schaut und auf das Ende der Flut wartet. Mit dieser Vorstellung von der Arche - und viele Menschen unserer heutigen Zeit sind zweifelsohne davon geprägt - hätte die Geschichte von der Sintflut keine Chancen auf historische Authentizität.

Nun sagt uns aber der biblische Bericht über das Aussehen der Arche etwas ganz anderes: Das hebräische Wort, das uns dort im Urtext für Arche überliefert worden ist, bedeutet "Kiste" oder "Kasten". Ihre Maße betrugen 300 Ellen x 50 Ellen x 30 Ellen. Wie lang war eine Elle?

Nach Rieneckers "Lexikon zur Bibel" gab es je nach Land und Kultur unterschiedliche Längen für eine Elle: 45 cm oder 52 cm.

Nach "Das Moderne Lexikon" (Gütersloh 1971) war eine Elle sogar bis zu 85 cm lang.

Legen wir das kleinste Maß (45 cm) zugrunde, so hatte die Arche eine Länge von 135m, eine Breite von 22,5m und eine Höhe von 13,5m. (Zum Vergleich: die Länge der Arche entspricht der 1,3 fachen Größe eines Fußballfeldes.)

Wir gehen in den weiteren Überlegungen und Berechnungen von diesen Angaben aus.

Die Arche war also ein länglicher Kasten mit den Mindestmaßen 135m x 22,5m x 13,5m. Außerdem hatte sie nach dem Bericht von Gen. 6 drei Stockwerke, die wiederum in viele Kammern eingeteilt waren. Auf diese Weise konnte Noah Tiere verschiedener Art und Größe unterbringen.



2. Wieviele Tiere mußte Noah mit an Bord nehmen?

Über die Zahl der mitzunehmenden Tiere macht die Bibel unterschiedliche Aussagen, die aber nicht als Widersprüche aufzufassen sind und damit nicht notwendig Quellenscheidungstheorien begründen können. Die Unterschiede können als Ergänzungen und Weiterführungen gedeutet werden. So heißt es in Gen. 6,19f: "Und von allem Lebendigem, von allem Fleisch, sollst du je zwei von allen in die Arche bringen, um sie mit dir am Leben zu erhalten. Je ein Männchen und ein Weibchen soll es sein. Von allen Vögeln je nach ihren Arten, von dem Vieh nach seinen Arten, von allen Kriechtieren des Bodens nach seinen Arten; zwei von allen sollen zu dir hineinkommen, um am Leben zu bleiben."

Einige Zeilen weiter heißt es dann ergänzend bzw. genauer erläuternd (Gen. 7,2 ff.): "Von allen reinen Tieren sollst du dir nehmen je sieben, Männchen und Weibchen, und von den unreinen Tieren ein Paar, Männchen und Weibchen, auch von den Vögeln des Himmels je sieben, Männchen und Weibchen, um auf der ganzen Erde Nachwuchs am Leben zu erhalten." Zur Auslegung dieses Textes schreibt Bräumer: "Die Grundsatzentscheidung Gottes lautet: Nimm je ein Paar von sämtlichen Tierarten, um ihren Fortbestand zu sichern. . . . Noah ließ sie ein. Jetzt heißt es: Noah soll zusätzlich von den reinen Tieren und von allen Vögeln 7 Exemplare auswählen . . . Bei der Auswahl der Vögel hatte Noah nicht auf die Unterscheidung von rein und unrein zu achten. Von jeder Vogelart hatte er sieben mit in die Arche zu nehmen."

Der Grund für das Mitnehmen mehrerer Exemplare bei Vögeln und bei reinen Tieren wird im weiteren Verlauf der Erzählung angegeben: Neben dem Erhalt der Arten sollten einige Tiere als Opfertiere dienen (Gen: 8,20), andere Vögel wurden noch zusätzlich als Botschafter gebraucht, um zu erkunden, ob schon irgendwo Land in Sicht war (Gen. 8,6 ff).

Zusammenfassend läßt sich also sagen: Noah sollte folgende Tiere mit an Bord nehmen:

  1. Von allen Landtieren allgemein: 1 Paar
  2. Von allen zeremoniell reinen Tieren: 7 Paare
  3. Von allen Vögeln: 7 Paare


Kann man die Menge der mitzunehmenden Tiere zahlenmäßig erfassen?


Grundsätzliche Überlegungen

Die Gesamtzahl der heute lebenden Tierarten wird von Taxonomen auf über eine Million geschätzt (Tab. 1). Manche schätzen mehrere Millionen. Die großen Unterschiede in den Schätzungen beruhen auf unterschiedlichen Artbegriffen. Das zeigt, daß die Frage nach der Abgrenzung von "Arten" in unserem Zusammenhang wesentlich ist (s. u.).


Säugetiere 3.700
Vögel 8.600
Reptilien 6.300
Amphibien 2.500
Fische (incl. Rundmäuler) 20.600
Manteltiere (z.B. Seescheiden) 1.700
Stachelhäuter (z.B. Seeigel) 6.000
Gliederfüßer (z.B. Insekten) 1.000.000
Weichtiere(z.B. Muscheln) 130.000
Platt- und Fadenwürmer 25.000
Ringelwürmer 17.000
Hohltiere(z.B. Quallen) 9.000
Schwämme 5.000
Einzeller 27.000
insgesamt 1.262.400

Tab. 1: Anzahl von Arten ("Biospezies", nach 1. Mose 2,9)

Hätte Noah 1 Million Arten mit an Bord nehmen müssen, wäre es auf der Arche sicher sehr eng geworden, aber es gab eine nicht geringe Zahl an Tieren, die als Wasserlebewesen außerhalb der Arche die Sintflut überleben konnte (Tab. 2).

Alle Fische 20.600
Alle Manteltiere (z.B. Seescheiden) 1.700
Alle Stachelhäuter (z.B. Seeigel)  6.000
Fast alle Weichtiere (z.B. Muscheln)  130.000
Alle Hohltiere (z.B. Quallen)  9.000
Alle Schwämme 5.000
Alle Einzeller 27.000
insgesamt 199.300

Tab. 2: Anzahl der Biospezies, die außerhalb der Arche überleben konnten (nach 2, 9)

Außer den in Tab. 2 aufgelisteten Arten konnten außerhalb der Arche auch einige Säugetiere (Wale, Delphine), einige Amphibien, einige Gliederfüßer (Garnelen, Krabben, einige Insekten u. a.) und viele der ca. 42.000 Wurmarten überleben. Man sollte in diesem Zusammenhang auch bedenken, daß die meisten Arten bei den Gliederfüßern vorliegen (ca. 1 Million), die in der Regel sehr klein sind und wenig Platz wegnehmen. Darüber hinaus ist aber fraglich, ob Wirbellose (zu denen die Gliederfüßer gehören) überhaupt mit in die Arche mußten. Nach dem Bericht Gen. 6 ff mußten die Land- und Lufttiere, in denen Odem ist, in die Arche. Es bleibt offen, ob damit nur die lungenatmenden Tiere gemeint sind, nicht dagegen tracheenatmende Landtiere wie Landinsekten. Es wäre aus biologischen Gesichtspunkten sinnvoll, wenn die Wirbellosen nicht mit in die Arche kommen mußten, denn sie sind (großenteils oder vollständig?) in der Lage, durch Dauerstadien wie z. B. widerstandsfähige Eier zu überleben(etwa auf schwimmenden Vegetationsresten). Es bestand daher auch keine Notwendigkeit, sie mit in die Arche zu nehmen. Es scheint also nach dem biblischen Bericht sowie aufgrund biologischer Fakten erlaubt zu sein, die Wirbellosen (Insekten, Krebse, Spinnen, Würmer, Weichtiere usw.) bei den nachfolgenden Abschätzungen außer acht zu lassen.

Fazit: Die Höchstzahl der mitzunehmenden Wirbeltierarten (Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien) betrug ca. 21.100 (3.700 Säugetierarten, 8.600 Vogelarten, 8.800 Reptilien- und Amphibienarten). Wirbellose können außer Betracht bleiben.

Wieviele Tiere waren nun höchstens an Bord?

Wir haben schon gesehen, daß Noah von allen Landtieren 1 Paar mitnehmen sollte, von den reinen Tieren 7 Paare (das sind nur ganz wenige Arten: Nach 3. Mose 11,11 ff. waren es bei den Säugetieren alle diejenigen, die Wiederkäuer und Paarhufer/zeher waren, wie z. B. das Rind oder das Schaf) und von allen Vögeln 7 Paare.

Daraus ergibt sich:

Ca. 120.000 Vögel, 7.400 Säugetiere, 17.600 Reptilien und Amphibien (+ eine nicht ins Gewicht fallende Anzahl reiner Tiere). Insgesamt also ca. 145.000 Wirbeltierindividuen. Hinzu kommen acht Menschen und Nahrungsmittel für Mensch und Tier. Mit Sicherheit mußte Noah aber bedeutend weniger als 145.000 Wirbeltiere mit an Bord zu nehmen, denn die bisher erwähnten Zahlen beziehen sich auf den biologischen Artbegriff (Biospezies). Der biologische Artbegriff deckt sich kaum mit dem biblischen (hebräisch "min"). In der Schöpfungsgeschichte wird gesagt, daß die Tiere sich "nach ihrer Art" (Gen. 1, 21) vermehren sollten, von den Pflanzen heißt es, sie "sollen Samen tragen nach ihrer Art" (Gen. 1,11). Diese Aussagen lassen die Deutung zu, daß alle Lebewesen, die miteinander Nachkommen zeugen können, zur selben "geschaffenen Art" (wir sprechen zur terminologischen Abgrenzung von "Grundtyp") gehören. Wir wissen heute, daß es eine ganze Reihe von Arten gibt, die durch Kreuzung direkt oder indirekt miteinander verbunden sind (z. B. Pudel und Wolf bei den Hundeartigen, Haushuhn und Königsfasan bei den Fasanenartigen). Hund und Wolf und auch alle anderen Vertreter der Hundeartigen gehören demnach nicht verschiedenen "geschaffenen Arten" an, sondern sind verschiedene "biologische Arten" ein und derselben "geschaffenen Art" (desselben Grundtyps). Demnach hatte Noah von allen Hundeartigen (Hund, Wolf, Schakal, Fuchs usw.) nur ein Paar, von allen Fasanenartigen (Königsfasan, Jagdfasan, Haushuhn, Truthahn u. a.) nur sieben Paare und auch von allen anderen Grundtypen nur ein Paar (bzw. sieben) mit in die Arche zu nehmen, denn aufgrund der den Tieren von ihrem Schöpfer eingegebenen genetischen Möglichkeiten konnten sich die Tiere nach der Flut im Rahmen eines mikroevolutiven Prozesses (= Variation innerhalb des Grundtyps)- aber nicht grundtypüberschreitend - in die heute bekannten "biologischen Arten" aufspalten. Dieser Prozeß hat aber nichts mit Evolution im Sinne einer Höherentwicklung zu tun (Makroevolution), sondern entspricht im Prinzip der Rassenbildung (Mikroevolution) 5, 6.

So ist z. B. aus der Züchtung bekannt, daß in den letzten 250 Jahren 200 neue Hunderassen gezüchtet wurden, die voneinander so verschieden sind wie der Dackel vom Collie oder der Schäferhund vom Pekinesen. Das Grundtypkonzept ist ein wissenschaftlich sehr fruchtbarer Ansatz, weil man mit ihm konkrete wissenschaftliche Studien an der heute beobachtbaren Realität betreiben kann. Da die Grundtypforschung erst am Anfang steht, ist nicht genau bekannt, wieviele Grundtypen es gibt, und nur in einigen Fällen ist untersucht worden, wieviele Biospezies zu einem Grundtyp zusammengefaßt werden können. Man kann nach bisherigen Ergebnissen aber praktisch sicher sein, daß bei den Vögeln durchschnittlich mindestens 50 Biospezies zu einem Grundtyp gehören, bei den Säugetieren mindestens 20 und bei den Reptilien und Amphibien mindestens 30. Durch die entsprechenden Faktoren muß die Zahl der nach Biospezies gerechneten Individuen geteilt werden (Tab. 3). Nach Grundtypen gerechnet ergeben sich nur ca. 3.400 Individuen, gemessen an den heute lebenden Formen. Dabei ist nicht einmal berücksichtigt, daß die Amphibien großenteils auch außerhalb der Arche überleben konnten.

Individuen nach Biospecies gerechnet  Biospecies pro Grundtyp Individuen nach Grundtypen gerechnet ausgestorbene Grundtypen (Anz. der Indiv.) Grundtypen in der Arche (Anz. der Indiv.)
Vögel (je 7 Paare) 120.000 ca. 50 2400 4800 7200
Säugetiere (i. a. je 1 Paar) 8.000 ca. 20 400  800 1200
Rept.+ Amph. (je 1 Paar) 18.000 ca. 30 600 1800 2400

Tab. 3: Anzahlen der Landwirbeltiere

(Zahlen in der ersten Spalte auf die nächsten Tausender aufgerundet)

Nun muß aber berücksichtigt werden, daß eine Reihe von Grundtypen ausgestorben ist. Diese mußten aber auch in die Arche, denn es gibt zwingende Gründe dafür, daß sie nach der Flut noch gelebt haben und erst in dieser Zeit ausgestorben sind. Rechnen wir mit doppelt so vielen ausgestorbenen Grundtypen bei Säugern und Vögeln (es sind deutlich weniger bekannt), bei Reptilien und Amphibien mit dreimal so viel, so erhalten wir 10.800 Individuen (Tab. 3, rechte Spalte), die in der Arche untergebracht werden mußten - bei hoch angesetzter Abschätzung.

Einige Angaben zur Anzahl ausgestorbener Arten:

Lehmann, Paläontologisches Wörterbuch, 3. AuB. Stuttgart 1985, gibt an, daß 54% der bekannten Säugerfamilien ausgestorben seien, von den Gattungen 67% (S. 217). Das Grundtypniveau liegt nach bisherigen Erkenntnissen auf dem Familien- oder Unterfamilienniveau, bisher jedenfalls immer über dem Gattungsniveau. Nach diesen Angaben muß man also mit ca. 1-1,5 mal so vielen ausgestorbenen Grundtypen rechnen im Vergleich mit der Anzahl heute lebender Grundtypen. Nach der Tabelle auf S. 2 und einem angenommenen Kürzungsfaktor von 20 entspricht das etwa 300-400 ausgestorbenen Säugetier-Grundtypen. Für die Vögel gibt Lehmann an, daß nur etwa 1/5 bis 1/4 der insgesamt bekannten Arten ausgestorben seien (S. 41). Hier wird i. a. ins Feld geführt, daß Vögel wegen der leichten, pneumatisierten Knochen wesentlich schlechter fossil erhalten werden konnten als andere Wirbeltiere.

A. H. Müller (Lehrbuch der Paläozoologie, Jena 1970, Band 3, Teil 3 Mammalia) rechnet mit etwa 2080 fossilen Säugetiergattungen (S. 2); das könnte ca. 200-400 Grundtypen entsprechen, (angenommener Kürzungsfaktor für Gattungen: 5) so daß wir hier etwa auf dieselbe Zahl kommen wie Lehmann. Für die Vögel gibt er an (S. 562): 639 fossil vertretene Gattungen; für die Reptilien: 1050 fossile Gattungen. Mit diesen Angaben stimmen Tabellen und Graphiken von G. P. Lanuood (Extinctionand Survival in the fossil record;(-larendon Press Oxford, 1988) überein (S. 271 ff., S. 322). Konkrete Zahlen nennt er bei den Säugetieren: Gegenüber 130 heute lebenden Familien zählt er 180 ausgestorbene; bei den Gattungen ist das Verhältnis 1000:3000, bei den Arten 4000:8000.

Mit diesen Informationen können wir nun prüfen, ob die Arche für diese Anzahl ausgereicht hatte.



Paßten alle Tiere in die Arche?

Die Arche hatte bei den Maßen 135m x 22,5m x 13,5m unter Berücksichtigung der drei Stockwerke eine Ladefläche von ca. 9.000 qm und ein Ladevolumen von ca.40.000 cbm.

Ein Vergleich mit einem Eisenbahnwaggon soll verdeutlichen, welche Kapazitäten sich hinter diesen Zahlen verbergen: Die Deutsche Bundesbahn hat für den Transport von Tieren keine besonderen Viehwaggons, sondern benutzt die üblichen Güterwagen. Ein Güterwagen der Deutschen Bundesbahn in Regelbauart (hier der Typ Gbs (-uv) 254) hat folgende Maße: Ladelänge: 12,7m, Ladebreite: 2,6m und Ladehöhe: 2,25m.' Daraus ergibt sich für die Ladefläche eines Waggons 33 qm und für das Ladevolumen ca. 74 cbm.

Die Kapazität der Arche entsprach also einer Ladefläche von ca. 280 Güterwagen und einem Ladevolumen von ca. 550 Güterwagen. Nach der Güterbeförderungsvorschrift der Deutschen Bundesbahn vom 01.03.1985 müssen in einem wie oben erwähnten Güterwagen pro Schaf (ungeschoren) 0,26qm Bodenfläche zur Verfügung stehen. Diese Vorschrift ist mit Aussagen der Tierschutzverbände zustande gekommen und stellt zur Bedingung, daß ein Schaf die Möglichkeit haben muß, sich hinzulegen. Für die Stückzahl der mitzunehmenden Schafe pro Waggon lautet die Vorschrift: 121 ungeschorene Schafe, 138 geschorene Schafe. Da die Ladefläche der Arche 276 Güterwagen entsprach, würde die Vorschrift der DB bedeuten, daß unter Zugrundelegung der Ladefläche über 33.000 Tiere von der Größe eines ungeschorenen Schafes auf der Arche Platz gefunden hätten.

Der Platzbedarf der mitzunehmenden Tiere ist sicher sehr großzügig angesetzt, wenn einem Säugetier durchschnittlich (1,5m)3, einem Vogel (0,5m)3 und einem Reptil bzw. Amphib 1 cbm eingeräumt werden. Denn beispielsweise sind nur ungefähr 290 Arten von Landsäugetieren größer als Schafe, weit über 1.300 dagegen kleiner als eine Ratte. Aufgrund der Zahlen aus Tab. 3 und diesen durchschnittlichen Zahlen für den Platzbedarf ergibt sich für den insgesamt benötigten Platz für die in der Arche mitzunehmenden Tiere ca. 7.500 cbm (Tab. 4). Das sind weniger als 20% des Rauminhaltes der Arche.



Vögel (0,5m)3 Säugetiere (1,5m)3 Rept. + Amph. insgesamt
Platzbedarf insgesamt 0,125 m3 3,375 m3 1m3
benöt. Platz 900m3 4050 m3 2400 m3 7350 m3

Tab. 4: Platzbedarf in der Arche

Die Zugrundelegung des Rauminhaltes ist angebracht, weil Noah nach dem biblischen Bericht Zwischenfächer einzubauen hatte, was eine enorme Erweiterung der Kapazität mit sich bringt. Man kann sich auch denken, daß Käfige für Vögel und kleinere Tiere übereinander gestapelt wurden. Angesichts dieser Berechnungen ergibt sich die groteske Frage, ob die Arche nicht zu klein, sondern eher zu groß war, aber man muß bedenken, daß Noah und seine Familie über ein Jahr in der Arche bleiben mußten und so gesehen die Arche auch gleichzeitig Lebensraum für Tier und Mensch war, und da brauchte man schon etwas mehr Raum als nur einen Platz zum Hinlegen.



Weitere Aspekte

Auch wenn das Raumproblem mit vorliegenden Berechnungen gelöst sein dürfte, sollen noch einige Gesichtspunkte erwähnt werden:

1. Da wir nicht die genauen Maße der für den Bau zugrunde gelegten Elle kennen, besteht immerhin die Möglichkeit, daß die angenommenen Werte noch zu gering angesetzt sind und die Arche demnach noch größere Dimensionen hatte. (Wir haben das kleinste bekannte Maß zugrundegelegt.)

2. Große Tiere konnten als Jungtiere mitgenommen werden (Saurier, Elefanten, Giraffen, Nashorn, usw.). Dadurch konnte Noah zusätzlich Raum gewinnen. Saurier wachsen wie alle Echsenlebenslang (anders als die Säugetiere, die bald ausgewachsen sind). Jüngere Tiere waren somit relativ klein und konnten in der Arche mitgenommen werden.

3. Zur Lösung des Futterproblems schlagen Whitcomb und Morris vor, daß die Tiere einen großen Teil der Zeit mit Winter- bzw. Sommerschlaf zugebracht hatten, so daß Noah mit einer weitaus geringeren Menge an Futter auszukommen brauchte als der die er für eine tägliche Fütterung benötigt hätte. Man kann annehmen, daß die potentielle Fähigkeit zum Winterschlaf schöpfungsmäßig mitgegeben war. Auch heute sind die Winterschläfer nur potentielle Schläfer, d. h., äußere Bedingungen müssen den Beginn des Winterschlafs auslösen. Möglicherweise könnten heute noch viele Tiere einen Winterschlaf halten, die das nie tun, weil es klimatisch nicht erforderlich ist. Diese vielleicht früher allgemein verbreitete Fähigkeit könnte dann im Laufe der nachflutlichen Geschichte bei vielen Tierarten verlorengegangen sein.

In dieser kurzen Abhandlung konnten nur einige Fragen angeschnitten werden, die sich ergeben, wenn man dem biblischen Sintflutbericht historische Realität beimißt.

Die hier dargelegten Überlegungen zeigen, daß die historische Glaubwürdigkeit der Geschichte von der Arche Noah aus der Frühzeit der Menschheit nicht durch Unterbringungsprobleme zu erschüttern ist. Es gibt keinen Grund, die Zuverlässigkeit der Bibel mit dem Hinweis auf die Sintflutgeschichte in Frage zu stellen.



Literatur

1. H. Bräumer: Das erste Buch Mose. Wuppertaler Studienbibel Brockhaus, Wuppertal, 1983.

2. R Flindt: Biologie in Zahlen. Stuttgart, 1986.

3. W. J. J. Glashouwer: So entstand die Welt. Neuhausen, 1980.

4. "Güterwagen". Prospekt der Deutschen Bundesbahn.

5. R Junker: Evolution ohne Grenzen? Fakten zur Entstehung der Arten. Neuhausen, 2. Aufl. 1994.

6. R. Junker & S. Scherer: Entstehung und Geschichte der Lebewesen. Gießen, 3. Auflage 1992.

7. F. Rienecker: Lexikon zur Bibel. Brockhaus, Wuppertal, 1960.

8. J. Scheven: Karbonstudien. Neuhausen-Stuttgart, 1986.

9. J.C. Whitcomb & H.M. Morris: Die Sintflut. Neuhausen, 1977.


[ 1 ] Der Autor, Dr. Reinhard Junker, (Jahrgang 1956), ursprünglich Gymnasiallehrer für Biologie und Mathematik, arbeitet als "dienstältester" wissenschaftlicher Mitarbeiter seit 1985 bei Wort und Wissen. In dieser Zeit konnte er sich auch im Bereich "Interdisziplinäre Theologie" weiterbilden und eine Promotion über eine kritische Beurteilung theistischer Evolutionsvorstellungen an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Leuven/Belgien abschließen (1992). R. Junker arbeitet hauptsächlich im Bereich der Grundtypenbiologie, der Paläobotanik (fossile Pflanzen) und der theoretischen Biologie (kritische Beurteilung der sog. "Evolutionsbeweise" im Bereich der Vergleichenden Biologie). Über die fachliche Arbeit hinaus ist er an der Erarbeitung von Unterrichtmaterial beteiligt und hält Vorträge in Schulen, Hochschulen und Kirchengemeinden.



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Ins Netz gesetzt am 19.03.2007; letzte Änderung: am 23.06.2022

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