Der Abfall vom Glauben

Kann ein wiedergeborener Christ vom Glauben abfallen und verlorengehen?

Vgl. auch folgende Dokumente: Kann ein Christ sein Heil verlieren?


Die Problemstellung

"Denn es ist unmöglich, Menschen wieder zur Buße zu bringen, die einmal erleuchtet wurden, die die himmlische Gabe schmeckten, Anteil am heiligen Geist empfingen, das gute Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt schmeckten und dann doch abgefallen sind."

So heißt es in Hebr 6, 4. Aber andererseits steht in Joh 10, 28: "Niemand kann sie aus meiner Hand reißen."

Ist das nicht ein Widerspruch? Diese Worte führen uns an die grundsätzliche Frage, zu der es unter Christen verschiedene Ansichten gibt: Kann ein Wiedergeborener verlorengehen?

Unser Grundsatz sollte sein, die Gesamtaussage der Bibel zu suchen und nicht aus Einzelaussagen Lehren zu entwickeln, die im Widerspruch zu anderen Aussagen stehen. Das erfordert ein geduldiges und intensives Lernen aus der ganzen Bibel. Sehen wir uns verschiedene Aussagen einmal an.


"Niemand kann sie aus meiner Hand reißen."

Dies Wort sagt Jesus in seiner Bildrede vom guten Hirten. Schafe brauchen Führung und Bewahrung. Sie sind bedroht von außen. Da gibt Jesus diese Zusage. Hier ist eine Macht von außen angesprochen. Und davor schützt Jesus die Seinen. Keine Macht im Himmel, auf Erden und unter der Erde kann uns scheiden von der Liebe Gottes in Christus Jesus (Röm 8, 39).


Kann also ein Wiedergeborener verlorengehen?

Antwort: Keine Macht von außen kann ihn Jesus entreißen.

Aber die Frage war ja nicht: Kann irgend jemand einen Menschen Jesus wieder entreißen?, sondern: Kann ein Wiedergeborener wieder verlorengehen? Dazu müssen wir Aussagen der Bibel betrachten, die eine andere Seite des Verhältnisses beschreiben. Gott hat die Gemeinschaft mit dem Menschen auf Freiheit und Liebe gegründet. Er ließ dem Menschen von Anfang an die freie Entscheidung für oder gegen ihn. Das kommt im "Baum der Erkenntnis" zum Ausdruck, der in die Entscheidung des freien Gehorsams stellte.

Gott bleibt in der ganzen Bibel bei dieser Grundlage der Freiheit. Als sich einmal viele Nachfolger von Jesus wieder abwandten, weil ihnen seine Rede zu hart war, da fragte Jesus die Zwölf: "Wollt ihr auch weggehen?" (Joh 6, 67). Jesus stellt es seinen Jüngern frei, ihm zu folgen. Er zwingt sie nie. Ein Jünger kann von Jesus weggehen. Niemand anderes kann ihn von Jesus wegreißen; aber Jesus stellt ihm frei, von ihm wegzugehen.


Wovon die endgültige Rettung abhängt

Die Freiheit und Verantwortung der Entscheidung finden wir in unmißverständlicher Klarheit in Hes 33, 11-20 formuliert. Da sagt Gott: "Den Gerechten wird seine Gerechtigkeit nicht retten an dem Tag, da er sich vergeht ... Wenn ich zu dem Gerechten sage: Du sollst am Leben bleiben!, und er verläßt sich auf seine Gerechtigkeit und tut Unrecht, so wird all seiner gerechten Taten nicht mehr gedacht; wegen des Unrechts muß er sterben."

Ja, das war so im alten Bund, sagen vielleicht manche. Gilt das denn auch für die Gotteskindschaft im neuen Bund?


Und das Neue Testament?

Die menschliche Freiheit und Verantwortung durchzieht auch das ganze Neue Testament. Gott erklärt seine Liebe, die zum Äußersten bereit ist, uns zu retten und zu bewahren. Doch auch das Neue Testament mahnt zugleich immer wieder, das ja nicht auszuschlagen, geringzuachten und nicht wieder zu verlieren.

Aus der Menge der Belege können wir hier nur einen Teil herausgreifen. In Mt 18, 15-17 sagt Jesus, daß ein Bruder - und das ist ein Wiedergeborener - die Bruderschaft wieder verlieren und wie ein Heide werden kann, wenn er an seiner Sünde festhält trotz vielfältigen intensiven Bemühens um ihn. Die Letztentscheidung liegt in seinem Willen und seiner Verantwortung.

Gleich darauf greift Jesus das noch einmal auf und nennt die Bedingung ausdrücklich in Mt 18, 21-35. Selbst wem alles vergeben war, dem kann es wieder angerechnet werden, "wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt".

Neben den großen Zusagen finden wir im Neuen Testament immer wieder das göttliche "wenn ihr ...", das auf unsere Verantwortung verweist und vor falscher Sicherheit bewahrt: Joh 15, 6-7; 1.Kor 15, 2; Kol 1, 21-23 u. a.

Auch das Neue Testament redet ausdrücklich von einem möglichen Verlust des Heils:

    1.Kor 10, 1-12 1 Denn ich will nicht, daß ihr in Unkenntnis darüber seid, Brüder, daß unsere Väter alle unter der Wolke waren und alle durch das Meer hindurchgegangen sind 2 und alle in der Wolke und im Meer auf Mose getauft wurden 3 und alle dieselbe geistliche Speise aßen 4 und alle denselben geistlichen Trank tranken; denn sie tranken aus einem geistlichen Felsen, der begleitete. Der Fels aber war der Christus. 5 An den meisten von ihnen aber hatte Gott kein Wohlgefallen, denn sie sind in der Wüste hingestreckt worden. 6 Diese Dinge aber sind als Vorbilder für uns geschehen, damit wir nicht nach Bösem gierig sind, wie jene gierig waren. 7 Werdet auch nicht Götzendiener wie einige von ihnen! wie geschrieben steht: «Das Volk setzte sich nieder, zu essen und zu trinken, und sie standen auf, zu spielen.» 8 Auch laßt uns nicht Unzucht treiben, wie einige von ihnen Unzucht trieben, und es fielen an {einem} Tag dreiundzwanzigtausend. 9 Laßt uns auch den Christus nicht versuchen, wie einige von ihnen ihn versuchten und von den Schlangen umgebracht wurden. 10 Murrt auch nicht, wie einige von ihnen murrten und von dem Verderber umgebracht wurden! 11 Alles dies aber widerfuhr jenen als Vorbild und ist geschrieben worden zur Ermahnung für uns, über die das Ende der Zeitalter gekommen ist. 12 Daher, wer zu stehen meint, sehe zu, daß er nicht falle.
    Hebr 6, 4-8 4 Denn es ist unmöglich, diejenigen, die einmal erleuchtet worden sind und die himmlische Gabe geschmeckt haben und des Heiligen Geistes teilhaftig geworden sind 5 und das gute Wort Gottes und die Kräfte des zukünftigen Zeitalters geschmeckt haben 6 und abgefallen sind, wieder zur Buße zu erneuern, da sie für sich den Sohn Gottes wieder kreuzigen und dem Spott aussetzen. 7 Denn ein Land, das den häufig darauf kommenden Regen trinkt und nützliches Kraut hervorbringt für diejenigen, um derentwillen es auch bebaut wird, empfängt Segen von Gott; 8 wenn es aber Dornen und Disteln hervorbringt, so ist es unbrauchbar und dem Fluch nahe, der am Ende zur Verbrennung führt.
    Hebr 10, 26-31 26 Denn wenn wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, bleibt kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig, 27 sondern ein furchtbares Erwarten des Gerichts und der Eifer eines Feuers, das die Widersacher verzehren wird. 28 Hat jemand das Gesetz Moses verworfen, stirbt er ohne Barmherzigkeit auf zwei oder drei Zeugen hin. 29 Wieviel schlimmere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, durch das er geheiligt wurde, für gemein erachtet und den Geist der Gnade geschmäht hat? 30 Denn wir kennen den, der gesagt hat: «Mein ist die Rache, ich will vergelten»; und wiederum: «Der Herr wird sein Volk richten.» 31 Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!
    Hebr 12, 14-17 14 Jagt dem Frieden mit allen nach und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn schauen wird; 15 und achtet darauf, daß nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leide, daß nicht irgendeine Wurzel der Bitterkeit aufsprosse und zur Last werde und durch sie viele verunreinigt werden, 16 daß nicht jemand ein Hurer oder ein Gottloser sei wie Esau, der für {eine} Speise sein Erstgeburtsrecht verkaufte! 17 Denn ihr wißt, daß er auch nachher, als er den Segen erben wollte, verworfen wurde, denn er fand keinen Raum zur Buße, obgleich er sie mit Tränen eifrig suchte.

In Offb 3, 5 ist sogar die Möglichkeit erwähnt, daß Namen aus dem Buch des Lebens wieder gelöscht werden.

Die Bedingung der endgültigen Rettung faßt Hebr 12, 14 so zusammen: "Jagt nach der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird."


Und 1.Kor 3, 12-15?

Wird aber in 1.Kor 3, 12-15 nicht gesagt, daß zwar ein gewisses Gericht geschieht, die Rettung aber letztlich doch nicht in Frage steht?

Paulus spricht hier nicht von einem Menschen, der sich von Christus abgewandt hat, sondern von Mitarbeitern in der Gemeinde. Zu ihrem Werk am Bau der Gemeinde sagt Paulus, daß eines jeden Werk geprüft wird durchs Feuer am Tag des Herrn, ob es bleibt oder nicht. Ein Mitarbeiter, der mit Holz oder Stroh gebaut hat, wird sein Werk verlieren, aber "selbst gerettet werden, doch wie durchs Feuer hindurch". Es geht also nicht um die Frage, ob ein Geretteter verlorengehen kann, sondern was aus unserem Werk in der Mitarbeit einmal wird.


Und 2.Tim 2, 13?

Schließt dieses Wort nicht aus, daß ein Geretteter wieder verlorengehen kann?

Ein Beispiel kann die Bedeutung erhellen. Wenn ein Ehemann seiner Frau untreu wird und sie verläßt, so hat diese zwei Möglichkeiten: Sie kann entweder auch untreu werden und sich ihrerseits von ihrem

Mann abwenden und einen anderen heiraten; oder sie kann ihrem Versprechen treu bleiben und auf eine eventuelle Rückkehr ihres Mannes warten. Ihr Treubleiben muß ihren Mann nicht unbedingt wieder zurückbringen; aber die Möglichkeit zur Rückkehr steht durch ihre Treue offen. So bleibt Gott treu, auch wenn wir untreu werden. Er ist bereit, den Untreu-Gewordenen wieder aufzunehmen, wenn er umkehrt.

Schließt aber Hebr 6, 4ff. diese Möglichkeit nicht gerade aus? Dieses Wort spricht m. E. vom Äußersten. Wenn jemand in der beschriebenen Tiefe die Herrlichkeit Gottes geschmeckt hat (Hebr 6, 4-5) und sich dann doch abwendet und bewußt mit Gott bricht, was soll ihn dann wieder zurückbringen? Es gibt ein "Zu weit", wie es auch ein "Zu spät" gibt.


Sicherheit oder Gewißheit?

Martin Luther hat bei dieser Frage zwischen Gewißheit (certitudo) und Sicherheit (securitas) unterschieden. Gott schenkt seinen Kindern Gewißheit ihrer Zugehörigkeit zu ihm, ihrer Rettung und Vollendung. Aber es gibt keine unverlierbare Sicherheit. Unsere Freiheit und Verantwortung wird nicht aufgehoben.


Die Güte und die Strenge Gottes

Gott hat in seiner Güte alles für uns getan, daß wir gerettet und vollendet werden können. Aber er zwingt uns nie, bei ihm zu bleiben. Er läßt uns die Freiheit, darin zu leben oder nicht.


© 1989 E.G. Fitsch

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Ins Netz gesetzt am 24.11.2005; letzte Änderung: am 04.05.2023

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